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Film: "Führer und Verführer" von Joachim A. Lang

Der Film behandelt vor allem die Vorkriegsjahr und Kriegsjahre und findet seinen "Höhepunkt" in der berühmten Goebbels Rede "Wollt ihr den totalen Krieg?" (Sportpalastrede).

 

Anfänglich werde ich als Zuschauerin darüber aufgeklärt, dass die Szenen historisch belegt sind und ungefähr so stattgefunden haben (dank der Goebbels-Tagebücher und anderer Dokumente jener Zeit erscheint mir das plausibel) und der Film aus Sicht der Täter die Ereignisse dieser Jahre schildert.

 

Das macht den Film schwer zu ertragen (ich habe ihn in 30-Minuten-Häppchen angeschaut), aber auch sehr wichtig, denke ich, für die Aufbereitung der Geschichte. 

 

Laut der wikipedia wird der Film auch mancherorts als "merkwürdig unreflektiert" kritisiert. Diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen.

 

In etlichen Zwischenschnitten werden Zeitzeug:innen wie Margot Friedländer zu Wort. Es wird recht schonungslos auch Material, das damals aufgenommen wurde, gezeigt, das für sich stehen bereits einiges an Reflektion bietet (ich kann mir nicht vorstellen, nicht davon berührt zu werden).

 

Dann gibt es eine Szene, in der Goebbels große und intakte Familie voller gesunder Kinder gezeigt wird, dazwischen geschnitten wird die Behandlung der Familie von Joachim Gottschalk, der sich, seine jüdische Frau und seinen kleinen Sohn am Abend des 6. November 1941 umbrachte. Alleine beim Tippen kommen mir schon wieder die Tränen. Wo soll das denn unreflektiert sein? (Ode findet diese Reflektion nur bei mir persönlich statt? Aber sollte ein Film nicht genau das erreichen?)

 

Dieser Film bezieht aus meiner Sicht eine deutlich klarere und schwieriger zu verleugnende Stellung als beispielsweise der Untergang von Hirschbiegel/Eichinger. Bei dem Film von 2004 war es mir sogar ansatzweise möglich, ein wenig Mitleid mit den Tätern zu empfinden, mindestens jedoch für die Goebbels-Kinder.

Hier jedoch: Schwierig. Das Leid und die Krassheit des Schicksals der Jüdischstämmigen dieser Zeit wird zu deutlich. 

Noch deutlicher wäre dann (aus meiner Sicht) nur noch ein Film wie Schindlers Liste, der aber ja auch eine andere Perspektive wählt. 

 

Goebbels gewinnt zwar etwas Graustufe, aber seine Position bleibt immer auf der Täter-Seite.

Ich lerne ihn ein wenig besser kennen, ja, aber ich komme nie in Versuchung, ihm auch nur einen Millimeter zu verzeihen, trotz seiner Perspektive und der Szenen, in denen klar wird, wo seine eigenen Konflikte und auch seine Opfer lagen, bezieht der Film meiner Ansicht nach stets Stellung und lässt somit kein nachhaltiges Mitfühlen mit Goebbels aufkommen. (Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es jemandem anders gegangen sein könnte.)

Robert Stadlober als Joseph Goebbels

Ich kann kaum in Worte fassen, wie beeindruckt ich von dieser Schauspielleistung bin. Natürlich war Stadlober schon bei Sonnenallee sehr gut (ganz zu schweigen von späteren Filmen), aber hier geht das für mich noch mal ein paar Level weiter. 

 

Hier jedoch - Mimik, Gestik, Körperbewegung, vor allem die Stimme, selbst das Gesicht (er sieht total anders aus), alles stimmt, alles ist anders, nichts ist Stadlober, alles ist Goebbels. 

 

Seinen Höhepunkt nimmt der Film und auch Stadlobers absolut beeindruckende und geradezu erschreckende Professionalität beim Einüben der Sportpalastrede. Durch das abwechselnde Zeigen des historischen Goebbels während der Rede und Stadlober als Goebbels beim Einüben dieser Rede wird klar, was Stadlober hier geleistet hat. Wie viel Mühe auch alle Beteiligten in diese Szenen gelegt haben, damit ich nur mit weit aufgerissenen Augen und Ohren erfahren kann, was das bedeutet haben muss, wie auch Goebbels damals an das Äußerste seines Könnens, seines Talents und seiner Übung gegangen sein muss, um eine derartige Rede halten zu können. 

 

Bei allem, was mir zu dieser Zeit schon durch den Kopf gegangen ist, nie habe ich darüber nachgedacht, was ein Beruf, eine Position, wie die von Joseph Goebbels für ihn persönlich bedeutet haben muss. Und ich frage mich, was aus dem dritten Reich mit einem weniger fähigen Propagandaminister geworden wäre.

Deutlich weniger Tote aufgrund eines viel, viel früherem Kriegsendes?

 

Ein Witz, der im Film erzählt wird, trifft es vielleicht, und das tut weh:

"Hannibal, Cäsar und Napoleon unterhalten sich im Himmel. „Wenn ich in Italien Stukas gehabt hätte“, seufzt Hannibal; „und ich in Germanien Panzer“, sagt Cäsar. Darauf Napoleon: „Und ich Goebbels – dann wüsste man heute noch nicht, dass ich die Schlacht bei Waterloo verloren habe."

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