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State of Paradise von Laura van den Berg

Ich übe ein neues Genre: Weird Fiction. Begonnen habe ich mit Zensus, gesteigert habe ich  mich mit State of Paradise und zurzeit mache ich meinen Abschluss mir Remember you will die (Rezension wird folgen).

 

Im Gegensatz zu Zensus ist ziemlich klar, wo die (namenlose) Protagonistin sich hier befindet: USA, Florida. Zum Wann gibt es auch eine Ahnung: So ungefähr ab 2020. Es ist von einer Pandemie die Rede. Das könnte zwar unsere Pandemie gewesen sein (COVID wird aber nie erwähnt), allerdings gibt es ein paar sehr relevante Abweichungen. Beispielsweise sind in der 2020er Pandemie, die ich kenne, keine kostenlosen Headsets mit Zugang zu einer virtuellen Realität ("MIND'S EYE, made by ELECTRA"), die man quasi selbst erträumt, verteilt worden. Und es sind auch nicht haufenweise Menschen verschwunden, die häufig in dieser anderen Realität verschwunden sind.

 

Ich könnte noch mehr auflisten, aber das würde den Spaß verderben. Gut empfehlen kann ich auch, diesen Roman in öffentlichen Verkehrsmitteln zu lesen, wie ich (in deutschen ICEs), und dann immer mal wieder zwischendurch bellend zu  lachen. Trotz des überaus ernsten Unterbaus gibt es nämlich immer wieder diese Momente: Manche sind überaus schräg, andere einfach nur witzig, manche sind traurig, viele sind originell und einige sind auch kaum zu glauben. Dieser Roman nimmt sich aber stets noch ernst genug, dass auch ihn ihn (trotz allem) ernst nehmen kann und will.  Er macht nur eben oftmals, was er will. 

Alltag versus Unglaublichkeiten

Zunächst sind die Protagonistin und ihr Mann in einer eher sehr verständlichen Situation. Sie haben ihre Bleibe im Norden der USA vermeintlich kurzzeitig aufgegeben, da der Vater der Ich-Erzählerin im Sterben lag. Dann saßen sie allerdings zu Beginn der Pandemie in Florida fest, im Haus ihrer Mutter, direkt neben dem Haus ihrer Schwester. Ich erfahre einiges sehr erstaunliches, aber noch immer sehr Gegenwartsnormales über die Vergangenheit der Familie. Unsere Ich-Erzählerin war alkoholkrank und suizidgefährdet. Der Vater war sehr untreu und hatte eine zweite Familie. Oder gar eine dritte? 

Entgegen aller Erwartungen hat die Ich-Erzählerin doch noch geheiratet, einen Mann, dessen Eltern aus Korea stammen, weshalb er in Florida auffällt und sie und ihre Joggingrunden der Gegenstand von viel Smalltalk sind.

Sie arbeitet als "Ghost", formuliert Kapitel aus, für einen berühmten Autor, der nie namentlich genannt wird, sie hat immer nur mit der Assistenz zu tun. Was sie zu ihrem Job schreibt, hat schon eine subtile Art von Humor:

 

"When I finish a chapter, I send it on to the assistants, who weed out anything of myself that I might have tried to smuggle in. If I submit chapters that are too well written - too descriptive, too vulnerable, too precise - the assitants become upset, tell me to cut the flourishs. They want the language to do the opposite of what language should do, which is leave a mark. They want the language to be forgettable, familiar, digestible. To enter into the reader and disappear without a trace."

 

Ernst ist auch die Klima-Situation in Florida. Es kommt zu Tornados. Oft sind es welche, zu denen die Einheimischen nur die Achseln zucken, aber manchmal findet man danach auch eine Nachbarin rittlings auf ihrem Dach sitzend auf. Und es gibt Erdrutsche, "Sinkholes", die sehr gefährlich werden können. 

Hohe Authentizität

Die Erzählerin war lange weg und kehrt nach Hause zurück (mit Ehemann, der sich dort nicht auskennt). Vieles, was sie früher in Florida getan hat (wie Lizards einfangen und aus dem Haus entfernen), tut sie erneut.  (Sie ging mit 22 fort und nun, mit 36, ist sie wieder da.)

 

Es gibt einige alte Familiengeschichte, die sich allmählich hinterfragt. Das ist alles sehr eindringlich und glaubhaft geschildert.

Humor

Ein zu guter Trailer zu einem lustigen Film kann alle Gags vorwegnehmen, das möchte ich jetzt natürlich nicht machen. Nur, um einen kleine Vorgeschmack auf die Art des Humors zu bringen, hier ein paar Kostproben:

 

"For one thing, I struggled to understand my clasmates, who all knew how to style winter scarves. Each time I tried to wear a winter scarf I felt like I was being strangled."

 

Es gibt auch einige absichtsvolle Wiederholungen im Stil, die ich als sehr witzig empfunden habe.

Weirdness

Der Roman wagt schon einiges, übertritt aber nie die Grenze, dass ich ihn nicht mehr ernst nehmen würde. Alleine schon, wie ihr Bauchnabel sich mehr und mehr vergrößert, bis sie Dinge darin aufbewahren kann.

 

Im letzten Viertel des Romans werden die SF-Aspekte auch noch mal deutlich höher. 

 

Es würde mir wirklich Spaß machen, wenn hierzulande  jemand eine Übersetzung wagen würde.

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