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Die Abschaffung des Todes von Andreas Eschbach

Das. Macht. Spaß. 

 

Ich habe ja einige Eschbach-Romane gelesen, viele haben mir gut gefallen, jedoch die letzten Romane, alles nach NSA, hat mich weniger begeistert. (Wobei das älteste Kind hier im Haus ein großer Fan von ZAP ist, das ich selbst nicht gelesen habe!) Trotzdem, der neue Titel hat mich ausreichend neugierig gemacht.

 

Und der Ton gefällt mir sofort. James Windower ist als Protagonist an Plastizität deutlich über dem Niveau der sonstigen deutschsprachigen Science-Fiction, und ehrlich gesagt auch deutlich über dem Niveau der meisten Eschbach-Figuren. Hier ist der Autor mit seinem ganzen Können in die Vollen gegangen und hat noch ein paar Scheite draufgelegt. 

 

Kurze Inhaltsangabe:

Der Ich-Erzähler, James Windower, betreibt eine Zeitung, die absolut neutral und ohne die Verwendung manipulativer Sprache reine Fakten widergibt. Es gibt nur hundert Abos, aber diese zahlen eine Millionen Euro pro Jahr. Zu Beginn des Romans ruft eine wichtige Geldgeberin Windower zu sich. Ihr wurde angeboten, in eine Firma zu investieren. Ihr ist nicht ganz klar, was genau die Firma plant, dies unterliegt strengster Geheimhaltung. Sie erhofft sich, dass es für sei eine Heilung bedeuten könnte, denn sie ist querschnittsgelähmt und würde alles geben, um wieder laufen zu können. Windower wägt ab, entscheidet sich letztendlich dafür und nimmt an einer außerordentlich interessanten Firmenpräsentation teil ...

 

 

Die Idee der neutralen Zeitung mit den wenigen Abos, die für die sachliche und verlässliche Berichterstattung dafür eine Millionen Euro pro Jahr zahlen ist eine tolle Grundlage. Das Team, das Hauptfigur James hier beschäftigt, macht Spaß, inklusive des neuen Redakteurs, der sein manipulatives Vokabular nur schwer ablegen kann und die Berichte in den Zeitungen sehr trocken, um nicht zu sagen: "langweilig", findet. Die Redaktion bietet noch ein paar weitere interessante Figuren auf, die alle ausreichend viel Bühnenzeit erhalten.

 

James Windower wird außerdem interessant durch seine plastische und komplexe Beziehung zu seinem Vater, bei der vieles zunächst noch ungesagt bleibt. Außerdem führt er eine Fernbeziehung und seine Freundin, eine Ärztin, hat einen zunächst im dunkeln bleibenden Grund, aus dem sie Zeit für sich braucht und Windower quasi ghostet. 

Wir haben genügend Innensicht auf Windower, der so authentische, erfrischende und menschliche Gedanken hat (und zudem von den Werten her äußerst sympathisch ist, ein wenig Angst vor dem Tod und vor dem Altern hat, aber das macht ihn nicht zu Voldemort), 

 

Eschbach erzählt hier einfach großartig. Und der Lokalkolorit von Nordfrankreich, eine Gegend, in der sich der Autor bestens auskennt, ist auch nicht verkehrt.

Großartige Stellen und viel Spaß!

Es gibt vieles, das ich in einem Buch suche und oft sogar finde. Hier finde ich einen toll konstruierten Plot mit viel Spannung aus ausreichend vielen Rätseln, die mich ununterbrochen bei der Stange halten. Fragen werden beantwortet, ja, aber dann tauchen sofort neue auf. 

 

Dann gibt es tolle Detailideen. Wie ist es, wenn du jemanden verfolgst und dann feststellst: Du bist nicht der einzige!

Wie ist es, wenn du in eine Verfolgungsjagd gerätst, aber dein Navigationsgerät ist noch an, du hast keine Hand frei, um es auszuschalten und es plärrt die ganze Zeit "Bitte wenden" und "Route Neuberechnung". Das hat Stil, das hat Humor, das fühlt sich richtig echt an!

 

Ansonsten kratzt dieser Roman mehr an meinem Hirn als an meinem Herz, aber auch das Herz bleibt nicht unberührt. Die Ideen zum Upload, zu Implikationen der Unsterblichkeit und auch die Recherche zu Nano-Technologie fühlen sich alle so an, als könnten sie uns schon morgen betreffen. Ich fühle mich herrlich intellektuell stimuliert und ernst genommen und es macht Spaß, darüber nachzudenken und meine eigene Haltung zu hinterfragen.

Dazu spart der Roman ein wichtiges Thema zur Unsterblichkeit nicht aus: Trauer.

Was macht das mit unseren Leben, unserer Liebe? Was bedeutet der Verlust eines geliebten Menschen? Und was ist mit meiner eigenen Angst vor dem Tod? 

Deutschsprachige Science-Fiction: Wir holen auf, Baby!

Wenn jemand lautstark und vorlaut über die deutschsprachige Science-Fiction der letzten Jahre geschimpft hat, dann war das vermutlich ich. 

Doch ich beobachte einige Tendenzen, die mir sehr gefallen. Zuerst bekommen wir Aiki Mira und they räumt Preise ab, zeigt uns, was deutschsprachige SF sprachlich alles kann und bewegt sich in neuen Sphären. 

Den Queer*Welten gelingt es, mehr und mehr innovative Texte zu finden, die zeigen, was neben dem Mainstream noch so geht.

 

Und jetzt kommt Andreas Eschbach, ein langjähriger, gestandener Autor unserer Szene und anstatt uns nur "mehr vom gleichen" zu liefern, scheint er es noch mal richtig wissen zu wollen. Hier haben wir seine gebündelten Stärken, die auch aus früheren Romanen bekannt sind, plus, einiger ganz neuer Aspekte, die er sich ganz neu draufgeschafft haben muss, oder die er jedenfalls auf ein neues Niveau gebracht hat. 

 

Obwohl längst Profi, der sicher auch ausreichend Bücher verkauft, reicht es ihm nicht, auf bekanntem Niveau weiterzuschreiben, nein, er bietet uns noch mal Spaß. emotionale Tiefe und intellektuelle Stimulation vom meisten.

 

Geht es also doch wieder aufwärts in der deutschsprachigen SF? Jedenfalls gibt es Hoffnung.

 

Ja, mehr davon, Möge er noch dutzende weiterer Romane verfassen! Ich werde sie lesen.

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