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Sachbuch: Mutige Eltern: Wie Sie Ihren Kindern ein guter Anker sein können von Haim Omer

Das Sachbuch Mutige Eltern ist erhältlich beim Vandenhoeck-Ruprecht-Verlage. Danke für das Rezensionsexemplar.

 

Vor ein paar Jahren habe ich mir geschworen, keine Elternratgeber mehr zu lesen. Ich komme mir dabei immer vor, als ob alle Welt gut mit ihren Kindern und den vielen Details im Alltag klarkommen würde, nur ich nicht. Nur meine Kinder sind laut, ungehorsam, frech und verhauen sich ständig gegenseitig. 

 

Ich habe keine Lust, mich auch noch beim Lesen schlecht zu fühlen, und dann zu erfahren, wie geschickt und erfolgreich andere Eltern die Konflikte lösen und damit Kinder erziehen, die man tatsächlich stressfrei in Restaurants oder Züge mitnehmen kann.

 

Insofern war ich diesem Buch gegenüber skeptisch. Die vielen praktischen Beispiele zeigen aber fast alle viel schlimmere Probleme als die, die ich mit unseren Kindern habe (unsere Kinder sind fünf und acht und viele der Beispiele im Buch drehen sich um ältere Kinder und Teenager, die sich mit ihren Eltern in eingefahrene Situationen gebracht haben, die deutlich schwieriger zu lösen sind als Probleme mit jüngeren Kindern).  Daher kann ich sagen: Nein, ich fühle mich nicht wie eine Versagerin, während ich dieses Buch lese.

 

Die Hauptbotschaft, die ich aus diesem gut strukturierten Buch mitnehme, ist folgende:

Lieber Elternteil, beachte deinen Circle of Control. Niemand kann Kinder wirklich steuern (wie ich leidlich berichten kann), es gibt kein Geheimrezept, wie irgendjemand etwas tun oder sagen könnte, das dazu führt, dass sich das Kind in der gewünschten Art und Weise verhält. Ich habe den Eindruck, der Autor dieses Buchs weiß das und tut nicht so, als gäbe es so etwas (was ich bei anderen Ratgebern so empfunden hatte, weshalb ich das Lesen als so unangenehm empfunden habe). 

Das einzige, was wir Eltern steuern können, ist unser eigenes Verhalten. Und genau darum geht es hier: Wie verhalte ich mich, wie steuere ich mich selbst und habe so Einfluss auf mein Kind, werde so zu einem guten Anker für mein Kind.

Weg von "Wenn du nicht tust, was ich sage, dann ..."-Botschaften (oder den vielen, vielen Alternativen, die angeblich besser funktionieren), hin zu "Ich werde folgendes tun ..."-Ansagen. Das ist insofern angenehm, indem ich nicht hoffen muss, dass das Kind jetzt hoffentlich wirklich aufhört oder anfängt, etwas zu tun, ich muss mich nur selbst an meine Ansage halten. Und das ist wirklich deutlich, deutlich einfacher!

 

Ich habe das sehr zeitnah, als ich in dem Buch noch in den ersten Kapiteln steckte, beim Taekwondo-Training ausprobiert. Da stehen einmal in der Woche circa acht Kinder vor mir, die ich eine Stunde lang trainieren soll. Natürlich hat diese Situation zusätzlich den Vorteil für mich, dass ich nur für eine Stunde für die Kinder verantwortlich bin und in der Regel nur eine sehr leichte emotionale Bindung besteht, ungleich zu unseren eigenen Kindern. Selbstverständlich hat nicht jedes Kind immer Lust, eine Stunde lang artig zu trainieren und einige machen ununterbrochen irgendwelchen Quatsch. Ein Junge hat häufiger Hummeln im Hintern, was natürlich auch die anderen ablenkt. Ich hatte in der Vergangenheit schon alles mögliche ausprobiert, ihn sogar vom Training ausgeschlossen, aber nichts hatte dauerhaft funktioniert. Ich hatte keine Möglichkeit gefunden, ihn von irgendwas abzuhalten oder zu etwas zu bringen. 

Nun sagte ich folgendes: "Junge, so lange du Quatsch machst, werde ich dich nicht beachten und dich nicht trainieren, ich werde einfach an dir vorbeigehen. Wenn du wieder mitmachst, werde ich dich dein Training wieder unterstützen."

Es fühlte sich ziemlich gut an, dass du sagen, da ich nichts hoffen musste. Ich konnte mich einfach an meine eigenen Worte halten. Schlimmstenfalls würde ich eben immer an dem Jungen vorbeigehen und nur die verbliebenen Kinder unterstützen. 

Natürlich wurde ihm ziemlich schnell langweilig. Es macht ihm Spaß, gegen die Pratze zu kicken und wenn ich an ihm vorbeigehe und sie ihm nicht hinhalte, dann entgeht ihm dieser Spaß. Es machte ihm wohl auch Spaß, mich mit Unfug zur Weißglut zu bringen, aber wenn ich den Unfug ignorierte, blieb natürlich auch dieser Spaß aus.

Nach einer Weile hörte er mit dem Unfug auf und machte wieder mit, ich bin also wieder auch vor ihm mit der Pratze angehalten und habe ich ihn nicht mehr ignoriert.

 

Das mag auch kein perfektes Vorgehen gewesen zu sein und ich war auch überrascht, dass es so gut geklappt hat. Natürlich ist es auch zu Hause viel schwieriger. Unsere Kinder sind ja 24/7 hier und ich kann auch deren Unfug nicht gut ignorieren, wenn beispielsweise Dinge durch die Gegend geworfen werden oder Geschwistern gekniffen werden. Trotzdem arbeite ich mich mehr und mehr hin zu Ich-Botschaften, was auch tatsächlich besser klappt. Mir fallen natürlich nicht immer welche ein, aber es wird. (Wer eine Idee hat, was ich zu einem Fünfjährigen sagen soll, der gerade alle im Haus vorhandenen Äpfel die Treppe hinunterwirft, der möge sich gern bei mir melden.

Struktur des Buchs

Wir haben hier:

  • Selbstbeherrschung statt Impulsivität
  • Unterstützung statt Isolation
  • Präsenz statt Hilflosigkeit
  • Liebevolle Grenzen statt Chaos
  • Standhaftigkeit und Kontinuität statt Inkonsequenz
  • Verbundenheit statt Distanz
  • Verankern statt Abdriften

Insgesamt ist bei mir persönlich hängen geblieben: Ich muss nicht sofort reagieren, wenn ein Kind Mist baut (das mit den Äpfel, die zerstört werden, ist vermutlich eine Ausnahme). Ich kann mich erst mal selbst beruhigen, zu dem Kind sagen, dass wir später darüber sprechen und dann "das Eisen schmieden, wenn es kalt ist". Das verhindert, dass ich aus Wut heraus etwas sage, das ich später bereue. 

Das Kind aufs Zimmer zu schicken und zu isolieren ist nicht schön, Unterstützung anzubieten, hingegen schon. Viele der Botschaften des Buchs gehen in die Richtung "Ich bin da, ich bin bei dir, ich gehe nicht weg". Bei Gesprächen mit unseren Kindern haben diese mir auch immer versichert, dass sie es wichtig finden, nicht alleine gelassen zu werden, wenn sie wütend oder traurig sind.

Vermeiden sollte ich "Nein-Geplapper", weil die Kinder das irgendwann ausblenden. 

 

Später im Buch wird noch auf Probleme wie Handy-Nutzung eingegangen. Das ist noch nicht so aktuell für mich, wird aber irgendwann wichtig. 

 

Auch Probleme zu Drogen und Schule-schwänzen sind in der Grundschule zum Glück noch nicht akut. Das Buch wirft auch Schlaglichter auf Kinder mit besonderen Bedürfnissen, beispielsweise ADHS.

Fazit: Gute Struktur, gut zum Nachschlagen

Ich habe mich beim Lesen gut gefühlt und viel genickt. Nicht alles kann ich sofort übertragen, dazu ist Kinder-Erziehung einfach zu schwierig. Doch ich habe viel mitgenommen und schon einige Situationen gelöst, die ich vorher vermutlich nicht hätte lösen können. Ich finde es sehr sinnvoll, bei Ich-Botschaften und in meinem Circle of Control zu bleiben.

Ich begrüße sehr, dass der Autor betont hat, dass ich zwar auf die Kinder einwirken kann, und hier viele Möglichkeiten habe, aber dass es eben keine Methode gibt, wie ich etwas narrensicher erreichen kann. 

 

Viele Beispiele waren für mich persönlich noch zu weit weg (ältere Kinder), aber ich fand es fast tröstlich, dass ich es hier zu Hause schlimmstenfalls mit ein paar kleinen Blessuren (meistens an Äpfeln) zu tun habe. 

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