Dieser Blogartikel spoilert den Schluss des letzten Bandes von "Der kleine Vampir". Und zwar BEIDE Schlüsse:
Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen
und
Der kleine Vampir: Dein Freund für immer
Am 30. März 2024 habe ich das Ebook von "Der kleine Vampir und die Frage aller Fragen" gekauft. Das Ebook ist dort, wo ich es gekauft habe, nicht mehr erhältlich. Es gibt aber noch Print-Versionen des Buches, die als Erscheinungsjahr 2019 angeben, so dass ich davon ausgehe, dass es sich hierbei noch um Versionen mit dem "alten Schluss" handelt.
Es gibt seit dem 12. März 2024 ein neues Printbuch mit dem abweichenden Titel: "Der kleine Vampir: Dein Freund für immer". Das Hörbuch dazu ist am 24. April 2024 erschienen.
Im Folgenden nenne ich die zuerst erschienene Version kurz "Die Frage aller Fragen" und die neue Version "Dein Freund für immer."
Ich habe dem älteren Kind vor einigen Wochen "Die Frage aller Fragen" vorgelesen. Gestern hat das jüngere Kind das Hörbuch "Dein Freund für immer" zu Ende gehört. Das ältere Kind und ich waren dabei und stellten einigermaßen entsetzt fest, dass es im vorletzten und vor allem im letzten Kapitel starke Abweichungen gibt: Und zwar so stark, dass die ganze Geschichte verändert ist.
Abweichend von dem Ausmaß: Romeo lebt!
Wir sprechen hier nicht von Korrekturen, die in Kinderbüchern immer mal wieder vorkommen. Harmloses Beispiel aus "Connie kommt in den Kindergarten".
In einer älteren Version heißt es:
"Nur gesunde Kinder dürfen in den Kindergarten."
Das ist natürlich ungenau, in einer späteren Auflage heißt es:
"Nur Kinder ohne ansteckende Krankheiten dürfen in den Kindergarten."
Wir sprechen hier von einer Änderung in dem Ausmaß, dass Romeo rechtzeitig bemerkt, dass Julia nur scheintot ist, sich nicht umbringt und die beiden fliehen und heiraten und so glücklich werden, wie sie nur wollen. Oder sich nach wenigen Wochen wieder trennen und ihr Leben weiterleben: Was auch immer.
Jedenfalls stirbt niemand.
Der Schluss von "Die Frage aller Fragen"
Zugegeben, es kommt etwas plötzlich, nachdem sich Anton zwanzig Bände lang dagegen gewehrt hat, ein Vampir zu werden. In diesem Band schwankt er jedoch von Anfang an. Durch den Wegzug der Vampirsippe sieht er Anna und Rüdiger seltener. Seine Eltern haben sich inzwischen getrennt (was ich nicht wirklich ausreichend gut vorbereitet fand) und er wohnt abwechselnd bei ihnen.
Er verbringt hier seine Ferien mit Anna. Sie darf ihm die Frage aller Fragen dreimal stellen, die Antwort beim dritten Mal gilt. Natürlich geht es bei der Frage darum, ob Anton ein Vampir werden will.
"Willst du
Erwachen aus dem Traum, den man Leben nennt?
Willst du
Die Nacht erfahren, wie kein Mensch sie kennt?
Willst du
Mir folgen in die Ewigkeit?
So sprich:
Umarme mich,
Oh Dunkelheit,
Ich bin bereit!"
(Auszug aus dem letzten Kapitel des Romans)
Anton fliegt im vorletzten Kapitel zu seinem Vater nach Hause, hört ein Gespräch mit an, das ihm nicht gefällt. Sein Vater hat eine neue Freundin und die bringt eine Tochter mit in die neue Beziehung. Seine Mutter scheint von ihrem neuen Freund schwanger zu sein.
Er selbst scheint hier nur noch ein Nebendarsteller zu sein.
Zugegeben, für ein Kinderbuch für Kinder ab acht Jahre ein wenig heftig.
Er fliegt zurück zu Anna, lässt sich die Frage stellen und antwortet mit "Ja". Es wird geschildert, wie verändert er die Nacht nun wahrnimmt und er fliegt gemeinsam mit Anna und Rüdiger in die Nacht, die nun nicht mehr dunkel für ihn ist, und er fühlt sich wach.
Ein vielleicht überraschender Schluss, aber durchaus ungewöhnlich. Und man darf nicht vergessen, dass Antons Eltern eigentlich in allen vorherigen zwanzig Teilen auch nicht sehr gut weggekommen sind und ihn auch sonst nicht viel in seinem Leben hält. Andere menschliche Freunde waren stets nur Randfiguren.
Der Schluss von: Dein Freund für immer
Auch hier hört Anton ein Gespräch seines Vaters und seiner Mutter mit jeweils ihren neuen Partnerpersonen mit an. Diesmal allerdings beziehen die beiden (und auch die neuen Partnerpersonen) Anton explizit mit in ihre Pläne ein, machen sich Gedanken um sein Wohlergehen, vermissen ihn und fragen sich, wo er genau steckt (sie wissen, dass er die Ferien mit Anna verbringt, aber nicht genau, wo). Ihre Worte sind liebevoll und mitfühlend.
Anton ist davon beeindruckt. Er fragt sich, ob er wirklich Teil einer Sippe werden will, zu der auch Personen wie die blutrünstige Tante Dorothee oder Lumpi gehören. Plus, die Vampire kümmern sich nicht umeinander. Und er müsste Blut trinken, jede Nacht. In seiner eigenen Familie würde er sich geborgen fühlen und er will zu ihr zurück. Er fliegt zurück zu Anna und Rüdiger und beantwortet die Frage mit Nein.
Anna fliegt beleidigt davon. Rüdiger hingegen bleibt bei ihm und erläutert ihm, dass es sicher besser so sei. Vampire hätten eigentlich keine Freundschaften untereinander und Rüdiger würde vermutlich eher mit Anton befreundet bleiben, wenn dieser ein Mensch bliebe. Und Anna würde sich schon wieder beruhigen.
Zugegeben, das Ende passt besser zu Antons Charakter. Anna kommt ein wenig schlecht weg, der sonst so wenig mitfühlende Rüdiger überraschend gut.
Ich habe per se mit keinem der beiden Schlüsse ein Problem. Sie sind beide interessant und gut geschrieben (die Autorin hat seit 1979 ein paar gewaltige literarische Sprünge nach vorn gemacht und ich kenne die Reihe ungefähr seit 1985).
Nur: Warum die Änderung?
Liebe Angela Sommer-Bodenburg, lieber Rowohlt-Verlag, ich habe Fragen! Zar nicht gerade die Frage aller Fragen, aber definitiv Fragen!
Warum ändert ihr ca. neun Jahre nach dem ersten Erscheinen des Abschlussbandes den Schluss? Gab es einen Shitstorm, den ich verschlafen habe? Haben sich die Zeiten geändert? Soll es keine Kinderbücher geben, in denen am Ende ein (recht junges) Kind ein Vampir wird? Ich meine: Es sind ja schon seit dem Beginn sehr junge Kinder hier Vampir geworden, siehe Anna (erst neun!) und Rüdiger (zehn Jahre alt). Das ist das Konzept der Reihe. Es geht um Kindervampire. Wozu also das Problem, Anton zum Vampir zu machen?
Beide Enden sind okay. Nur jetzt frage ich mich (und die Kinder erst recht): Wozu?
Nun habe ich ein Kind, das die Reihe mit "Anton wird Vampir" abgeschlossen hat und ein anderes, das die Reihe mit "Anton bleibt ein Mensch" abgeschlossen hat. Wem gebe ich Recht, wenn sie streiten?
Und wenn jemand nun versucht, sich im Netz zu spoilern, stößt er noch auf die Information, dass Anton ein Vampir wird. In ein paar Jahren wird es dazu nur Verwirrung geben, denn nun haben wir plötzlich Schrödingers Katze: Anton ist ein Mensch, Anton ist ein Vampir, beides gilt, je nachdem, welches Buch man öffnet.
Wirklich, das ist doch kein Zustand! Der Monk in mir hat damit massive Schwierigkeiten. :-)
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Kathrin (Montag, 01 Juli 2024 12:05)
Danke für die Rezension, wie schön dass wir alle einen Monk haben! Ich kenne jemanden beim Rowohlt Verlag soll ich der mal die Rezension schicken? Vielleicht bekommst du eine Antwort…
Yvonne Tunnat (Montag, 01 Juli 2024 12:05)
Klar, sehr gern! Ich habe sie bei Twitter getagged, aber wer weiß, ob da noch jemand hinguckt, so wenig ist da heutzutage los!
LG