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Arboreality von Rebecca Campbell

Die  meisten Bücher sind zu lang. Aus einigen möchte ich manchmal sogar am liebsten mit dem Bulldozer ein Drittel herauswerfen. Manche Bücher sind lang, aber trotzdem will ich nichts rauswerfen (oder fast nichts), wie zum Beispiel aus The Deluge von Stephen Markley

 

In dieses Buch hätte ich gern noch um die dreihundert Seiten eingefügt. Es hätte auch meinen (wohl einzigen) Kritikpunkt geschmälert: Für die Kürze sind es ganz schön viele Figuren. Einige bleiben in sehr lebhafter Erinnerung, aber nicht bei allen gelingt (mir) das.

 

Es ist tolle Climate Fiction. Ich suche Climate Fiction, am liebsten von dieser Art:

Alles geht massiv den Bach herunter und dann wächst daraus aber etwas Neues, normalerweise besseres (zumindest besser fürs Klima). 

 

Beispiele hierfür sind:

The Deluge von Stephen Markley (das mehr das Zusammenbrechen als den Wiederaufbau schildert)

The lost Cause von Cory Doctorow (das sehr auf das Danach fokussiert, das Danach ist aber unserer jetzigen Welt nicht so unähnlich)

Der Plan zur Rettung der Welt von Nick Fuller Googins (Das fokussiert auch auf das Danach, das Danach ist aber unserem heutigen Leben doch sehr unähnlich)

oder 

Blue Skies von T. C. Boyle (der fokussiert nur auf das Heute und ggf. auf das nahe Morgen, und eine Verbesserung wird lediglich angedeutet)

 

Nicht interessiert bin ich an Aliens, KIs oder Gandalf, der Deus-Ex-Machina-mäßig zu uns kommt und uns vor uns selbst rettet.

 

Der Verlag Stelliform Press hat ggf. noch mehr davon. Das muss ich dringend mal testen!

Zum Inhalt von Arboreality

Es geht den Bach herunter und Verbesserungen, Wiederaufbau und neue Ideen machen einen eher kleinen Teil am Ende aus, dafür sind diese teilweise sehr schön und extrem kreativ!

 

Zunächst einmal lernen wie Jude kennen, der als Lehrkörper einer Universität nur noch online Unterricht gibt. Es ist die nahe Zukunft und Unterricht per Präsenz ist eher nicht mehr zu erwarten, zu viel Ansteckungsgefahr hält die Menschen voneinander fern. Der Roman ist von 2022 und wurde vermutlich in der Corona-Pandemie begonnen.

Die Uni-Bibliothek wird feucht, feuchter, überschwemmt, und Jude hilft der Bibliothekarin, so viele Bücher wie nur möglich zu retten. Denn das Ende des digitalen Zeitalters aufgrund Stromausfällen und fehlendem Nachschub ist vorauszusehen.

 

We're going to need books again, for a while at least. Maybe forever. But we can't if they're all turned to mush and locked away on campus.

 

Sie können natürlich nicht alle retten. es müssen stets Entscheidungen getroffen werden. Das ist hart.

 

He wondered what he had denied the future: Some fact they would need in twenty years: how to mend a photovoltaic plate, or set a leg or cure croup or make a smoker.

 

Schon im ersten Kapitel werden die titelgebenden Arbutus-Bäume erwähnt. Verlinkt habe ich aber nun "the old kind". "The new kind" ist eine Erfindung innerhalb der Welt des Romans, jedenfalls nehme ich das an. 

 

Leider nehmen wir nach sechzehn Seiten schon von Jude Abschied. Der Roman ist so aufgebaut, dass er sich von Handlung zu Handlung schwingt und der Erzählung chronologisch folgt. Dinge, die Jude und die Bibliothekarin Berenice getan haben, werden noch wichtig sein. Aber wir erfahren nichts mehr über ihr Schicksal. Manchmal kommen Personen mehrmals vor (zunächst als Junge, später als Erwachsener), aber von vielen nehmen wir am Ende eines Kapitels für immer Abschied. 

 

Als nächstes folgen wir Bernard. Bernard lebt eigentlich ähnlich wie ich selbst. In einem kleinen Ort in einer Sackgasse mit Nachbarn, die er seit langem kennt und die oft älter sind als er. Bernard befindet sich nur in einer anderen Lebenssituation. Er ist um die sechzig Jahre alt, seine Tochter ist bereits ausgezogen, seine Frau ist fort. Bernard interessiert sich für Pflanzen, was später noch bezüglich der Erdbeerbäume (Arbutus) wichtig wird. Wir beobachten vor allem gemeinsam mit Bernard, wie seine älteren Nachbarn wegziehen und ihre Häuser verfallen, Sie fliehen vor den barbarisch heißen Sommern. Bernard jedoch hat zu viele Gründe, in seinem Zuhause zu bleiben, allen voran seine Tochter, die ihn sonst nicht finden könnte.

Bernard versorgt sich mehr oder minder selbst, aber eines Tages geht er in die Bibliothek, die ein älterer Mann pflegt und genau dort sind dann auch die Bücher, die Jude und Berenice im ersten Kapitel in Sicherheit verschickt haben.

 

So ist der Roman aufgebaut und darauf wird auch später ganz explizit Bezug genommen. Wenn Jude nicht die Bücher gerettet hätte, hätte Bernard nicht anfangen können, aus Arbutus-Bäumen eine Bank wachsen zu lassen. Dann wäre niemand auf die Idee gekommen, etwas größeres wachsen zu lassen. 

 

Es gibt einige Momente, die für postapokalyptische Romane typisch sind. Die Gefahr von Krankheiten, wenn die Versorgung mit ärztlicher Hilfe und Medizin nicht mehr leicht zu haben ist. Der Zerfall der Kommunikation. 

Andere Dinge, die für Climate Fiction sehr gängig sind: Überschwemmungen und Brände und ihre Auswirkungen. 

 

Der Roman denkt Lösungen an und einiges deutet sich am Ende auch an, Außerdem wird gezeigt, wie Kinder in diese neue Welt ganz selbstverständlich hineinleben, allen voran Benno, der die alte Welt nicht vermisst, weil er sie nicht kennt.

 

Anders als die Älteren. Hier ein Stück von Bernards Gedanken:

Unspoken: when the world is changed again for the better, and we can rediscover the places we love like they'd been there all along, the cities brilliant and full of people, the 7-Eleven stocked with cold drinks, your parents waiting at the door, clean sheets on your childhood bed.

 

Es werden auch Mars-Missionen angedeutet und es gibt kurze Perspektiven vom Orbit aus.

 

Mich haben vor allem Bernards Kapitel begeistert und ich wäre ihm gern noch länger gefolgt. Spätere Figuren sind mir nicht mehr in der Form ans Herz gewachsen, womöglich auch, weil ich bereits wusste, dass ich niemanden sehr lange verfolgen darf. 

 

Trotzdem sehr empfehlenswerter Plot, schöne Aussagen. Es wirkt fast, als könnten wir uns durch gut durchdachte, innovative Taten unsterblich machen oder zumindest wichtig für die, die nach uns kommen. Ob wir nun Bücher retten oder eine Bank wachsen lassen.

 

Empfohlen wurde mir das Buch übrigens von der Seite Literatopia, vielen Dank dafür!

 

Das Beste ist: Bald wird der Roman auf Deutsch beim Carcosa-Verlag herauskommen!

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