· 

Just a nugde by Maureen McHugh

Das ist ein seltenes Beispiel für:

 

Ich las die Story ununterbrochen begeistert und im letzten Absatz konnte ich nicht glauben, wie mies der Schluss ist.

 

Ich werde spoilern, damit das in dieser Rezension klar wird, aber ich werde das vorher dick ankündigen für jene, die die Story noch lesen möchten.

 

Just a nudge ist erschienen in The Book of Witches, das ich aufgrund einer Story von Ken Liu gekauft hatte, im Nachhinein hatte ich dann aber noch einige mehr daraus gelesen.

 

Von Mauren McHugh bin ich seit ABC Chang ein Fan, daher habe ich ihre Story selbstverständlich auch gelesen.

 

Großartiges Leseerlebnis mit unbefriedigendem Ende

Keine Sorge, der Spoiler kommt erst nach der nächsten Überschrift.

 

Zunächst beginnt es vielversprechend und geht auch so weiter. Die Ich-Erzählerin ist eine Krankenschwester und wird durch einige Details aus ihrem Job sehr nahbar gemacht. Konkret geht es um eine Patientin, die sich nur noch quält, aber die Verwandtschaft besteht darauf, dass sie am Leben erhalten wird. Die Ich-Erzählerin hat dazu eine eigene Meinung, die ich zunächst auch mal teile. (Sofern das schon eine Andeutung an den Schluss sein soll, geht diese Story in Richtung Amsterdam von Ian McEwan, aber der Roman war dann doch irgendwie klarer und cooler in seiner Richtung.)

 

Ich habe auch das Gefühl, hier kennt sich jemand richtig mit dem Job aus (meine Mutter war Krankenschwester):

 

A lot of nursing school grads are unprepared for the sheer physicality of nursing. The lifting, the wiping, the turning. The shit, the spit, the piss.

 

Es ist eine längere Story, so erfahre ich einiges über ihre Beziehung, ihre Frau Kayla, ihren gemeinsamen Sohn, ihren Vater (der eine Hexe war), ihre Großmutter (die eine Hexe war) und inwiefern das Betreiben der Hexenkunst für einige auch seinen Preis hatte, so dass das erzählende ich seit ihrer Jugend keine Zauber mehr vollführt hat, bis auf einige harmlose Kleinigkeiten. Ich hätte auch erwartet, dass dazu (gesundheitliche Beeinträchtigung nach Ausübung von Hexenkräften) noch mehr kommt. Aber dann ging die Story in eine andere Richtung weiter.

 

Der Konflikt besteht zwischen dem erzählenden Ich, ihrer Frau Kayla, und dem Nachbarn Henry. Der ist erstaunlich homophob und ein Messie und der Konflikt eskaliert bis zu dem Punkt, dass er in ihren Papier und Pappmüll pinkelt (dann muss der natürlich da raus und in den Restmüll, denn mit Urin getränkte Pappe ist nicht recycelbar) und dass er ihren Strom "klaut" und sie bedroht, als sie ihn damit konfrontieren, nachdem sie ihn erwischt haben.

 

Seine Drohungen sind krass, ja, aber haben die Hand und Fuß? Mit den Verhältnissen in den USA kenne ich mich nicht so aus, aber in Deutschland wäre es komplett lächerlich, einem Mütterpaar damit zu drohen, dass ihnen das Kind entzogen wird, weil sie ja beides Frauen seien und ein Kind auch einen Vater braucht. In Deutschland sind normalerweise sogar nach Trennungen (sogar bei Nicht-Adoption) die Verhältnisse geregelt, auch eine getrennt lebende Mutter hat ein Umgangsrecht mit dem Kind. Da könnte ein homophober Nachbar das Jugendamt anrufen, so viel er will.

Also, korrigiert mich, wenn ich falsch liege (noch liegt die USA-Wahl mit Trump ja noch vor uns, danach sähe es sicher anders aus).

Spoiler: Das Ende

Wirklich, ich hatte mehr erwartet. Sie tötet ihn mit ihrer Hexenkraft. Klar, die Szene ist lebendig geschrieben, gut geschildert, aber ... ernsthaft jetzt?

Klar, er bedroht sie, macht ihr das Leben schwer, aber das einzige, was ihr dazu einfällt, ist, ihn zu töten?

 

Was soll das für eine Prämisse sein?

 

Womöglich, um mal den Benefit of a doubt gelten zu lassen, soll es heißen: Beware of witches, weil die letztendlich doch böse sind, aber wirklich, das kann ja wohl kaum die Aussage sein.

Oder auch: Homophobe alte weiße Männer gehören ermordet, wenn sie es zu weit treiben? Auch das kann doch nun wirklich nicht die Aussage sein!

 

Es ist nicht nur rein aus Lese-Sicht ein unbefriedigendes Ende, ich finde auch einfach keine Prämisse oder Aussage in der Story, die irgendwie ernsthaft intendiert sein könnte. Ist das einfach "passiert"? Kein besseres Ende eingefallen?

 

Die Autorin ist doch Profi. Irgendwie kann ich mir das nicht so recht vorstellen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0