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Isaac und das Ei von Bobby Palmer

Wenn ich überhaupt einen Kritikpunkt habe, dann fehlende Plausibilität. Und nein, damit meine ich nicht das Ei, das Isaac findet und mit dem er im Rahmen der Romanhandlung monatelang zusammenlebt. 

Das Ei ist im Rahmen dieser Handlung absolut plausibel und notwendig.

 

Mein Kritikpunkt bezieht sich auf etwas, das am Schluss geschieht, das nur so ein massiver Spoiler wäre, dass es in dieser Rezension nichts zu suchen hat. Als Leserin finde ich diesen Twist massiv unvorbereitet und fast schon unzulässig - ich sage nun aber tapfer, dass ich das geschluckt habe und das Buch trotzdem toll fand.

 

Warum?

 

Wer meine eigene Prosa kennt, weiß, dass Trauer eines meiner Lieblingsthemen ist. Prosa, die sich auf eine faire, aufrichtige Weise mit (menschlicher) Trauer auseinandersetzt, ist mir oft sehr ans Herz gewachsen. Hierbei steht auf vorderster Stelle die Trauer um ein verstorbenes Familienmitglied.

 

Isaac hat seine Frau Mary verloren, komplett unvorbereitet, während er das Essen für sie kocht, er erwartet sie in einer Viertelstunde. Stattdessen ruft seine Schwiegermutter an und teilt ihm mit, dass Mary tot ist.

 

Isaac ist davon so tief und nachhaltig getroffen, hat zudem noch keine Erfahrung mit dem Verlust eines Menschen, es ist in seinem Leben nie jemand gestorben, dem er nahe gestanden hat. Ohne kleinere Proben muss er gleich so einen dicken Kloß schlucken und das gelingt ihm nicht. Es wäre vermutlich noch weniger gelungen, wenn er nicht das Ei gefunden hätte - das er kurzerhand mitnimmt und bei sich im Haus wohnen lässt.

 

In Wohngemeinschaft mit dem Ei verbindet Palmer nun so viel Liebe, Trauer, Humor, abgefahrene Ideen, kulturelle Anspielungen (in der Hauptsache an die Filme der letzten Jahrzehnte) und Echtheit, dass ich nur beeindruckt sein kann. Ja, Isaacs Trauer ist ziemlich schwer zu ertragen und wäre vermutlich unlesbar, wenn nicht zwischendurch das Ei (das übrigens auch Hände und Füße hat und sehr niedlich ist) mal beim Frühstück machen die Bohnen mit in den Toaster stopft. 

 

Mary gewinnt auch rückblickend ein sehr klares Gesicht, durch Isaacs Erinnerungen und sie ist mir derart sympathisch, dass ich sie fast selbst mit vermisse. Isaac würde ich am liebsten rütteln und schütteln und ihn dazu antreiben, doch endlich etwas zu tun, sein Verfall macht mich ganz nervös. Ähnlich denken auch Isaacs Schwester und Mutter, doch auch sie dringen nicht so recht zu ihm durch.

Einzig das Ei hat einen Einfluss und es erscheint mir fast so, als wäre das Ei eine Art phantastisches Trauerbegleitungswesen, das bis zu einem bestimmten Punkt bei ihm bleibt. 

 

Das mag ein Debut sein, aber der Mann hat vorher zwanzig Jahre geübt (laut Nachwort). Aus dem Stand kriegt man wohl auch solche Prosa nicht hin.

 

"Issac schreit. Das Ei schreit zurück. Das Ei schreit, und dann schreit Isaac zurück."

Der Autor übertreibt hier absichtlich die Szenen in E. T., in der sich Elliott vor E. T. erschreckt und E. T. sich gleichermaßen vor Elliott erschreckt. 

 

Die gut beobachteten Details im Alltag von Isaacs Trauer sind unglaublich authentisch:

"Selbst die Messerspuren in der Butter im Kühlschrank haben ihm die Tränen in die Augen getrieben, ein fossilienartiger Abdruck, den sie hinterlassen hat."

 

"Sie hatten immer davon gesprochen, einen Bauernhof zu kaufen. Das können sie jetzt nicht tun. Sie hatten immer "immer" gesagt, und jetzt ist das einzige "immer" in Isaacs Leben die Tatsache, dass Mary für immer weg ist und er für immer ohne sie wird leben müssen."

 

Aber dann auch wieder Humor:

Die Polizei steht vor Isaacs Tür und er sagt zum Ei:

"Polizei", sagt er.

Das war ein Fehler. Das Ei hat sowohl Bad Boys als auch Bad Boys II gesehen. Es weiß, dass es in Filmen immer ein schlechtes Zeichen ist, wenn die Polizei vor der Tür steht."

 

Und, Isaac auf der Höhe von etwas, das ich nur als starke Depression bezeichnen kann:
"Und nicht nur lächelt er jetzt gerade nicht, sondern es wirkt, als hätte sein Gesicht überhaupt die Fähigkeit zu lächeln verloren."

 

In Bezug auf Trauer, Traurigkeit und Depressionen ist Isaacs Fall schon sehr heftig. Das wird nicht für jede Person etwas sein.

Für mich macht die Wohngemeinschaft mit dem Ei den Roman sehr lesenswert, der Humor neben der Tragik lässt es verdauen und schließlich überwindet Isaac die schlimmste Phase ja auch.

 

Für mich zeigt es, dass Trauer immer dann am schlimmsten ist, wenn der Verlust des Menschen den direkten Alltag betrifft. Es gibt keinen Moment, der nicht vom Fehlen des Menschen gezeichnet ist. Ich habe nie jemanden verloren, während ich mit der Person zusammenlebte und konnte daher auch "Trauerpausen" machen. Isaac hat diese Möglichkeit nicht. Eine andere Komponente seiner Trauer wird erst am Ende deutlich, und obwohl ich finde, dies ist nicht gut vorbereitet worden, muss ich doch zugeben, dass ich die emotionale Komponente für ihn nachvollziehen kann.

 

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