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Manchmal lese ich etwas wieder, das ich bereits kenne. In diesem Fall dürfte es rund dreißig Jahre her sein. Interessant für mich war daher:
Erinnere ich mich nach so langer Zeit noch an einzelne Kurzgeschichten?
Die Antwort lautet: Ja.
Aber bei weitem nicht an alle.
Insgesamt ist das vermutlich nicht Kings beste Story-Sammlung, Kein Travel oder der Überlebenskünstler (seine vermutlich eindrucksvollsten, schlimmsten Kurzgeschichten). Aber mehr als solide geschrieben mit einigen sehr klassischen Horror-Twists.
21 Kurzgeschichten
Auf die Plätze, fertig los!
Briefe aus Jerusalem, (Jerusalem’s Lot), Übersetzung: Barbara Heidkamp
Ich war überrascht, Jerusalems Lot, aber keine Vampire. Solide geschriebene Story, die in der Hauptsache aus Briefen und Tagebucheinträgen besteht. Das Bemerkenswerte daran sind sicherlich mehr die äußerst liebevollen Männerfreundschaften, nicht nur von der Hauptfigur zu seinem Diener Cal, sondern auch zu dem Mann, dem er in der Hauptsache schreibt. Tiefes Vertrauen zeichnet sich da recht subtil ab.
Der eigentliche Horror wird durch die Trauer um einen Freund verstärkt. Der Schluss hat wieder mal den für Horror typischen Doppel-Twist. Den finde ich mittlerweile fast zu klassisch, um ihn recht genießen zu können.
Spätschicht, (Graveyard Shift), Übersetzung: Harro Christensen, VÖ: 1970 The Cavalier
An die Geschichte konnte ich mich erinnern. Die mutierten, riesigen Ratten vergisst man nie wieder.
Hier kommt eine der Stärken von King zum Ausdruck: Sozial niedrig gestellte Personen (hier: Männer) sind dazu gezwungen, einen ungeliebten Job zu machen. Der Konflikt zwischen ihnen und dem bessergestellten Vorarbeiter ist hervorragend ausgearbeitet. Doch: Vor gierigen bösen Ratten sind sie letztendlich alle nur aus Fleisch und Blut.
Nächtliche Brandung, (Night Surf), Übersetzung: Michael Kubiak, VÖ: 1974 The Cavalier
Das habe ich sogar nach einigen Tagen fast wieder vergessen und musste nachschlagen. Es hat eben nicht wirklich einen Twist, eher "Slice of Life in der postapokalyptischen Welt", hier von dem Grippevirus, der auch in The Stand eine Hauptrolle hat. Die Story bietet einem eigentlich nichts, wenn man The Stand kennt.
Ich bin das Tor, (I Am the Doorway), Übersetzung: Harro Christensen, VÖ: 1971 The Cavalier
Ja, das ist gut geschrieben, plus, es ist eigentlich eine SF-Horror-Story, davon präsentiert King uns ja recht selten eine.
Ich fand vor allem die juckenden Hände sehr gut beschrieben und wieder gibt es toll geschilderte Männerfreundschaften (das zieht sich fast durch den ganzen Band).
Der Wäschemangler, (The Mangler), Übersetzung: Karin Balfer, VÖ: 1972 The Cavalier
Wirklich gruselig und ich genoss sehr die Recherche der beiden Hauptfiguren, ihre Freundschaft, ihr Vertrauen, ihre Zusammenarbeit. Die Details sind hier das Entscheidende. Nicht einfach nur ein böser Mangler, nein, sondern: Warum wurde der böse? Da hat jemand schön recherchiert, was so alles in Medikamenten stecken kann und wozu das führt.
Das Schreckgespenst, (The Boogeyman), Übersetzung: Harro Christensen, VÖ: 1973 The Cavalier
Falls diese Story überhaupt etwas hat, dann ein kurzes Mitleid mit einer äußerst unsympathischen Hauptfigur. So eine Story würde ich sonst eher als Füllmaterial beschreiben.
Graue Masse, (Gray Matter), Übersetzung: Harro Christensen, VÖ: 1973 The Cavalier
An die habe ich mich erinnert. Und zwar jederzeit, auch freihändig. Zumindest der Twist geht einem nie wieder aus dem Kopf. Eine der gruseligsten Storys überhaupt, ob von King oder überhaupt. Und wieder beeindruckende Männerfreundschaften.
Schlachtfeld, (Battleground), Übersetzung: Ulrike A. Pollay, VÖ: 1972 The Cavalier
Da habe ich nur mit halbem Ohr zugehört, langweilig.
Lastwagen, (Trucks), Übersetzung: Harro Christensen, VÖ: 1973 The Cavalier
Die wurde auch verfilmt, auch wenn ich die Verfilmung nie gesehen habe. Das ist auch eine von denen, die im Kopf bleiben, auch an den Twist habe ich mich erinnert, wenn auch erst im Laufe der Story. Wirklich schön und ganz wunderbar gut geschrieben, toll gesetzte Adjektive und Vergleiche. Besonders verblüffend ist, dass man über den Ich-Erzähler fast nichts erfährt und trotzdem total mit ihm mitfiebert. Wie macht King das nur?
Manchmal kommen sie wieder, (Sometimes They Come Back), Übersetzung: Barbara Heidkamp, VÖ: 1974 The Cavalier
Wieder etwas, bei dem ich den Film nicht gesehen habe, aber ziemlich sicher bin, dass es einen gibt. Hier lebt die Erzählung eindeutig von den Details, nicht unbedingt von der Grundidee. Das Telefonat mit dem ehemaligen Polizeibeamten hätte spannender sein können und es erscheint mir, als sei der überlebende damalige Angreifer ein loses Ende, aus dem man hätte etwas machen können.
Trotzdem - ich bin begeistert von der Szene, in der sich der Protagonist beide Zeigefinger abhackt und beim linken so lange braucht, dass er irgendwann aufgibt und ihn dann einfach abreißt. Solche Details machen eine Story lebendig. Ich bin begeistert!
Erdbeerfrühling, (Strawberry Spring), Übersetzung: Barbara Heidkamp, VÖ: 1975 The Cavalier
Nein, das war nicht meins und der Twist war ziemlich blöd.
Der Mauervorsprung, (The Ledge), Übersetzung: Harro Christensen, VÖ: 1976 Penthouse
An die Story habe ich mich gut erinnert. Wurde auch mal verfilmt. Ja, hat mir gut gefallen, sehr eindringlich und mit hoher Sympathie für den Protagonisten.
Der Rasenmähermann, (The Lawnmower Man), Übersetzung: Sabine Kuhn, VÖ: 1975 The Cavalier
An die Story habe ich mich auch erinnert, nur dass ich eher den lächerlichen Part, nicht mehr so sehr das blutige Ende im Kopf hatte. Schöne Idee.
Quitters, Inc., Übersetzung: Ingrid Herrmann
Ein Klassiker. Nach drei Absätzen habe ich mich sofort erinnert, inklusive der tollen Pointe. Die beste Story über das mit-dem-Rauchen-aufhören ever!
Ich hatte überlegt, ob es noch etwas drastischer hätte ausfallen können, es verlief ja dann doch relativ moderat. Der eigentliche Horror ist ja, dass es so schwer ist mit dem Rauchen aufzuhören. Ich las die Story auch, lange bevor ich anfing und nun ist es fast zwanzig Jahre her, dass ich damit aufgehört habe. Hätte ich die Geschichte gelesen, als ich zwei Schachteln pro Tag verqualmt habe, sie wäre deutlich schrecklicher zu Lesen gewesen.
Ich weiß, was du brauchst, (I Know What You Need), Übersetzung: Ingrid Herrmann, VÖ: 1976 Cosmopolitan
Es leuchtet mir nicht ein, warum ihre Uni-Zimmergenossin Geld für einen Privatdetektiv ausgeben sollte. Auch einiges andere war so vorhersehbar und daher nicht so fesselnd. Ich bin auch unsicher, ob man das nicht alles viel besser hätte erzählen können. So richtig überzeugt hat mich die Story nicht, aber nette Atmosphäre, so unterschwellig bedrohlich.
Kinder des Mais, (Children of the Corn), Übersetzung: Wolfgang Hohlbein, VÖ: 1977 Penthouse
Hier kann ich mich sowohl an den Film als auch an die Kurzgeschichte recht gut erinnern und auch an die Unterschiede.
Die letzte Sprosse, (The Last Rung on the Ladder), Übersetzung: Barbara Heidkamp
Das ist kein Horror. Will ich das bemängeln? Na ja, die Story hat mir anfänglich ganz gut gefallen, am Ende hat sie mich aber etwas verloren. Generell begrüße ich aber, dass es um Geschwister geht und deren Zuneigung.
Der Mann, der Blumen liebte, (The Man Who Loved Flowers), Übersetzung: Bernd Seligmann, VÖ: 1977 Gallery
Nein, das war nichts, das war billig und hat mir nicht gefallen, total schräge Pointe.
Einen auf den Weg, (One for the road), Übersetzung: Stefan Sturm, VÖ: 1977 Maine Magazine, Inc.
Erst dachte ich, es sei die letzte Story, weil es auch um Jerusalem's Lot ging. Sehr sympathischer Erzähler, schöne Nebenfiguren. Der Plot an sich ist nichts besonderes, aber eben liebenswert erzählt. Hat auch der Tochter gefallen (ich hab's ihr nacherzählt).
Die Frau im Zimmer, (The Woman in the Room) , Übersetzung: Harro Christensen
Das ist auch kein Horror, aber eine sehr eindringliche Geschichte über Sterbehilfe bei der eigenen Mutter. Da hat der Autor ganz schön gezoomt. Hat mich mitgenommen.
Fazit
Ja, gute Kurzgeschichten bleiben lange im Kopf. Selbst nur einmal gelesene. Und ja, in dieser Sammlung gibt es welche davon.
Es gibt zwei Dinge, die ich an King bewundere: Seine Figurenzeichnung und seine Details. Da steckt immer viel Menschenkenntnis drin. Lese ich sehr gern, immer noch, seit mittlerweile mehr als dreißig Jahren.
Über die Autor:in
Es wäre albern, etwas über King zu sagen, den kennt man ja. Ich selbst lese ihn seit 1992, diesen Sammelband habe ich vermutlich auch zum letzten Mal in den neunziger Jahren gelesen und seither die meisten dieser Storys nicht mehr.
Harte Fakten
Titel | Nachtschicht |
geschrieben von | Stephen King |
übersetzt von | verschiedene |
Erscheinungsjahr | 1988 |
Seitenzahl | 448 |
Länge Hörbuch | 15:48 |
eingesprochen von | verschiedene |
Anzahl Geschichten | 21 |
Original Twitter Tweet | https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1655478825600401409 |
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