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Kollaps und Hope Porn: 13 Zukunftsaussichten herausgegeben von Lukas Dubro

Inhalt

 

In diesem Buch mit den etwas schrägen Illustrationen verbergen sich einige schöne SF-Kurzprosa-Perlen! Freilich zwischen einigen Experimenten, denen ich nicht immer folgen konnte, was an meinem konventionellen Prosa-Herzen liegt.

 

Ich nicke den Experimenten anerkennend zu und konzentriere mich in der Rezension auf meine fünf Highlights:

 

Groß, Joshua: Abverwandte

Der Großvater kann sich nicht mehr beamen. Das Beamen könnte auch für etwas anderes, nicht-phantastisches stehen. Etwas, das man nicht mehr kann, wenn man alt wird, nicht mehr so gesund ist, oder (wie hier) zu schwer geworden ist. Der Schluss ist schön rund, gelungen, die B-Story über Nicht-mehr-Teilhabe an etwas, das für alle selbstverständlich ist mit einem Schuss (selbstgewählter?) Einsamkeit hat mich berührt. 

 

Kümmel, Anja: Ordnung und Fortschritt

Der Weltenbau und die Grundidee sind soooo cool! Ich bin Fan. Tolle Sprache, viele schöne SF-Ideen, vom (sehr plastischen) Alienhybridkind bis hin zum technischen Zusammenbruch in der jüngeren Vergangenheit dieser Welt. Letzteres hat viel mit unserem Heute und einem möglichen Morgen zu tun, fast mehr, als man hören/lesen will. 

 

Nuss, Rudi: Man Cave

Gedankenstrom-Prosa ist ja sonst nicht so meins. Das hier ist jedoch so nahbar und gut geschrieben, dass ich sofort drin bin. Für mich hat jedes Wort gepasst, trotz aller Wagnis.

Weist der Titel darauf hin, dass ein Mann hier denkt? Stellenweise hatte ich den Eindruck, ich folge einer Frau. Vielleicht ist die Figur nicht ganz festgelegt und "Man" steht hier eher für Mensch als für Mann. 

Das erzählende Ich macht sich Gedanken über die Krankheit Mond, von der unklar ist, ob es sie hat. Möglich ist es aber leider. Dazu kommen noch jede Menge anderer Gedanken, wie über misslungene Raketenstarts. Bei den Gedanken bin ich mir unsicher, ob diese zum Hauptstrang gehören oder es nur die typischen Gedanken sind, die sich zum eigentlich Strom dazumogeln, da es unmöglich zu sein scheint, sich auf eine Sache vollends zu konzentrieren. 

Für mich war die Story derart gelungen, dass ich mir wohl überlege, doch seinen sprachlich sehr coolen, aber inhaltlich anspruchsvollen und nicht ganz einfachen Roman zu Ende zu lesen.

 

Wallenhorst, Maxi: Durch die falsche Brust mitten ins Herz

1979, Berlin. Soviel zur Zukunftsaussicht. Aber das Thema ist trotzdem getroffen, denn die Hauptfigur denkt von 1927 aus in die Zukunft. Von unserem 1927 oder einer alternativen Realität? Jedenfalls ist die erträumte und erdachte Zukunft nicht die unsere, sondern eine mögliche von 1927 aus gedacht.

Mit einer dicken Portion Romantik und viel Travestie. Gelungen, berührend, stilistisch gewagt, wunderbar.

 

Adeyanju, Jumoke: Die 77. Weltstille

Die Story ist schon deutlich schräger, offenbar ist es eine Art Postapokalypse, jedenfalls hat sich einiges verändert. Hier war ich über den gemeinsamen Lesezirkel ganz glücklich, weil ich bei der Photosynthese sonst raus gewesen wäre.  Zu Ende lesen lohnt sich aber, der Schluss ist geglückt.

 

Insgesamt viel Berliner Lokalkolorit und allesamt Kurzgeschichten, die stilistisch, sprachlich und inhaltlich mit großer Sorgfalt verfasst und präsentiert werden. 

 

Übrigens habe ich hier eine andere Rezension gefunden!

Alle enthaltenen Geschichten

Abverwandte von Joshua Groß

Die zweite Sonne (Auszug)  Theaterstück für einen Chor von Svenja Viola Bungarten

Streit um knappe Speicher – Gartenidyll wegen Festival vor dem Aus von Lukas Dubro

Stromvariation eins von Benedikt Kuhn

Schaum – ein Cybertrip durch den Garten Erde von Anna Hetzer

[Soma] von Samuel J. Kramer

Graue Gärten von Anne Oltscher

Durch die falsche Brust mitten ins Herz von Maxi Wallenhorst

Die 77. Weltstille von Jumoke Adeyanju

Man Cave von Rudi Nuss

Was wäre, wenn mein Angstkörper Hoffnung erzählt von Tim Holland

Ordnung und Fortschritt von Anja Kümmel

Lichte Körper von Philipp Schönthaler

Harte Fakten

Titel Kollaps und Hope Porn: 13 Zukunftsaussichten  
herausgegeben von Lukas Dubro 
Verlag Maro 
Rezensionsexemplar nein, aber Frei-Exemplar DSFP 
Erscheinungsjahr 2022 
Seitenzahl 160 
Anzahl Geschichten 13 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1616395593521274881 
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