Inhalt
Manche Bücher sind nicht für den schnellen Genuss geeignet. Manche sind sogar eigentlich gar kein Genuss.
Außerdem ist gerade der Anfang hier etwas sperrig. Das erklärt sich, wenn man Sekundärliteratur zur Rate zieht - was ich in diesem Fall gemacht habe. In "Wonderlands" ist die Rede davon, dass Vonnegut große Schwierigkeiten mit dem Thema hatte und sich immer wieder angenähert hat, bis er es geschafft hatte, einen Roman zu seinen Erfahrungen in Dresden fertigzustellen.
Dazu braucht man ggf. auch gar keine Sekundärliteratur - das steht auch im Text. Genau genommen steht alles im Text. Aber eben nicht ganz so klar.
Ich bin ganz dankbar dafür, dass Vonnegut nicht einfach nur direkt über seine Kriegserfahrungen geschrieben hat, sondern eben auch eine phantastische Komponente bedient, wenn auch diese den Roman nicht unbedingt leicht zu verstehen macht.
Laut dem Artikel in "Wonderland" ist die These des Buchs: "Der Mensch kann nicht allzu viel Realität vertragen". So dreht es sich zwar um Billy Pilgrim im Krieg, aber eben nicht nur. Es wird nicht chronologisch erzählt. "Der US-amerikanische Soldat Billy Pilgrim wird ein intergalaktischer Zeitreisender (oder, was wahrscheinlicher ist, einfach ein Verrückter), der nicht mehr in Dresden, sondern von Außerirdischen vom Planeten Tralfamadore gefangen ist." (Wonderlands, S. 212)
Die phantastischen Andeutungen häufen sich mehr und mehr, je weiter das Buch fortschreitet. Zunächst wird klar, dass Billy sich auf mehreren Zeitebenen bewegt und nicht chronologisch durch sein Leben schreitet oder zumindest zurückkehren oder voranschreiten kann.
Dann wird sehr explizit der Planet erwähnt und auch die intergalaktische Reise. Etwa in der Hälfte des Romans ist dann klar: Hier stimmt etwas nicht. Hier ist etwas anders. Ob das nur in Billys Kopf ist oder echt - da ich nur seine Perspektive kenne, muss ich es für echt halten. Für Billy ist es jedenfalls echt.
Das Buch ist schwer zu lesen. Ich musste mehrere Pausen machen. Nach der Hälfte habe ich mal einen Roman von Jo Walton dazwischengeschoben. Es ist nicht leicht, über Kriegserlebnisse zu lesen. Der Aufbau des Romans mag innovativ sein, aber er ist auch schwer zugänglich. Die SF-Komponente kommt irgendwie überraschend und ist auch seltsam. Der ganze Roman ist schräg. Der Stil ist gewöhnungsbedürftig. Es gibt krasse Stellen. Traurige Stellen. "Wie das eben so ist" wird extrem häufig verwendet (siehe unten), was seinen Effekt mal einbüßt, mal verstärkt.
Vonnegut hat offenbar dreiundzwanzig Jahre gebraucht, bis es seine Kriegserlebnisse in diese Form bringen konnte.
Die Außerirdischen von Tralfamador nehmen nur in wenigen Szenen Raum ein, werden oft eher am Rande erwähnt (z. B. dass sie Darwin spannender finden als Jesus). Was eher mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, ist, dass Billy Pilgrim in seinem eigenen Leben stets in der Zeit hin und her reist. Es ist sehr ungewöhnlich, so läuft Billy in Dresden herum, während er genau weiß, dass es in dreißig Tagen zerstört werden wird. Er unternimmt nichts dagegen, nimmt alles einfach hin.
Der Ich-Erzähler vom Anfang der Geschichte (Vonnegut?) taucht erst in Kapitel 10, dem Schlusskapitel, wieder auf.
Stil und Schreibweise
Über diesen kurzen Roman kann man sicher ganze Bücher verfassen, was Analyse und Bedeutung, doppelte Böden usw. betrifft. Es ist ein sehr ungewöhnlicher Roman, der auch keinen herkömmlichen Plot oder Spannungsbogen hat.
Normalerweise würde ich in einem Roman dieser Länge vielleicht zehn oder fünfzehn Stellen markieren, die mir besonders gut gefallen haben oder die ich für Schlüsselsätze halte. Hier hätte ich auf einigen Seiten gern drei Stellen markiert. So viele bemerkenswerte Stellen oder sicherlich wichtige, einschneidende Stellen gibt es. Der Roman ist sehr dicht.
Den muss ich wieder lesen. Eines Tages. Mehrmals. Vielleicht besser im Original, die Übersetzung wird stellenweise sehr kritisiert.
Trotz allem noch ein paar Zitate und Anmerkungen:
Die Figur Der Lehrer Edgar Derby wird stets mit "Derby, die arme Sau" betitelt, immer, wenn er erwähnt wird. Insgesamt vierzehn mal.
Die Floskel "Wie das so ist" kommt einhundertundsechsmal vor.
Vonnegut schreibt eher sparsam. Seine Sätze sind oft sehr kurz. Zwischendurch findet man mal sehr ungewöhnliche, treffende Bilder:
"Rosewater war ein schwerer, aber nicht sehr kräftiger Mann. Er sah aus, als wäre er aus Knetmasse"
Kurze Anmerkung zum Hörbuch
Das Hörbuch gelesen von Jan-Josef Liefers ging gar nicht. Als Hörbuch funktioniert das für mich nicht. Musste ich abbrechen und stattdessen das Buch ausleihen.
Vielleicht funktioniert es nach dem Lesen besser - der Roman ist so ungewohnt strukturiert, dass ich mir vorstellen kann, dass es daran liegt.
Harte Fakten
Titel | Schlachthof 5: oder Der Kinderkreuzzug |
geschrieben von | Kurt Vonnegut |
übersetzt von | Kurt Wagenseil |
Erscheinungsjahr | 1969 |
Seitenzahl | 210 |
Original Twitter Tweet | https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1437686726814752769 |
Kommentar schreiben