Haller 17 - SPAM! Haller: Literaturzeitschrift herausgegeben von Corinna Griesbach

Die elf ausgewählten Text müssen sich vor dem urkomischen Monty-Python Sketch in der Tat nicht verstecken. Ich habe teilweise sehr gegrinst, die Stories waren extrem unterhaltsam und einige außerdem spannend.

Handy-Gewinne, tolle Autos, günstige Wohnungen in begehrter Lage, gesundheitsfördernde Mittel, verzweifelte Flüchtlinge, ängstliche IT'ler:innen, naive Figuren (oder auch welche, die erstaunlicher gut auf der Hut sind) und fiese AGBs - hier kann man schon einiges finden, das originell zu unterhalten weiß.

Mein persönliches Highlight ist Wohnungssuche von Jimmy Brainless. Wir lesen den Email-Verkehr zwischen zwei Parteien: Eine Frau sitzt in Spanien und hat eine Wohnung in Wien zu vermieten. Sie möchte aber zwecks Wohnungsbesichtigung und/oder Übergabe nicht hin- und her gondeln und daher so viel wie möglich vorab abwickeln. Es meldet sich ein junges Paar, das die Wohnung gern mieten möchte.

Zunächst bin ich sicher, dass die Spanierin ein Fake ist und sie nur die Kaution abgreifen will. Dann bin ich in der Mitte der Story gar nicht mehr so sicher, wer hier wen hereinlegen möchte. Die Pointe ist richtig, richtig gut. Ich habe alle Kinder auf Pause gestellt und nicht mehr reagiert, damit ich diese Story zu Ende lesen konnte: spannend, witzig und gekonnt!

Den Autor musste ich gleich bei Twitter suchen.

Ebenfalls sehr cool fand ich Glückwunsch, du wurdest ausgewählt, du bist eine Gewinnerin, du hast gewonnen von Aiki Mira. Vielleicht bei Aiki (ich kenne schon zwei Geschichten) nicht ganz überraschend, geht Aikis Story eher in Richtung Science-Fiction. Das hat entscheidende Nachteile: Aufgrund von Implantaten kann der Spam schon recht effizient sein und es hilft auch nichts, einfach den Laptop oder das Handy zuzuklappen. Außerdem interessant, einige Berufe der Zukunft, die in der Story wie nebenher dargestellt werden. Vor allem die Nachbarin der Protagonistin hat einen Job, bei dem die Gamer:innen unter euch sicher neidisch werden.

Jetzt öffnen! Sie haben gewonnen! von Nicole Leidolph könnte vom Plot her glatt von Stephen King stammen (der liebt ja auch so fiese Wendungen) und erinnert mich daran, das Kleingedruckte wieder mal zu lesen, bevor ich wild Kästchen markiere. Der Protagonist Simon Kades gewinnt erstaunlich viel - doch wo bleibt der berühmte Haken?

Richtig witzig fand ich auch den Wissenschaftler Wutgard in Arno Endlers Genieß den Moment. Wutgard untersucht Spam nach wissenschaftlichen Methoden. Hierfür muss er aber zunächst dafür sorgen, auch entsprechend viel davon geschickt zu bekommen. Die IT-Abteilung der Universität findet das weniger witzig. 

Darüber hinaus wimmelt es gerade von Emails, die offenbar durch ein humorvolles Übersetzungsprogramm gelaufen sind, herrlichen Fotos zu Spam, gekonnten Erzählungen und auch Kürzest-Geschichten, die ab und zu die Qualität eines gelungenen Witzes erreichen.

Ganz besonders gelungen bei dieser Auswahl: Ich spüre regelrecht, wenn die jeweiligen Geschichten auf ihr Ende zugehen. Stets weiß ich schon vor dem Umblättern: Das war nun das Ende. Als hätte man mit dicken, schwarzen Buchstaben das Wort ENDE unter die Erzählungen eingemeißelt. Eine schöne Lektüre! 

Die Figuren nicht wie selbstverständlich heterosexuell, hier und da ist mal jemand homo- oder bisexuell, zum Beispiel in der Story "Glückwunsch, du wurdest ausgewählt, du bist eine Gewinnerin, du hast gewonnen". 

"Zarife [Nachbarin der Protaginistin] hat eine Schwäche für dunkelhaarige Alpha-Frauen, die zu Gewaltausbrüchen neigen. Ich dagegen bin anfällig für Männer und Frauen, die sich hauptsächlich von Muskelaufbaupräparaten ernähren."

Ganz nebenbei trägt dieser Abschnitt auch gekonnt zur Charakterisierung der beiden Hauptfiguren bei.