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The Time Traveler's Wife von Audrey Niffenegger

Inhalt

Die Idee ist gut, der Plot ist extrem ausgebufft und die Figuren sind überzeugend. Bis hin zu der kleinsten Nebenfigur! Ich habe schon nach kurzer Zeit das Gefühl, Clare und Henry zu kennen, gerade weil beide nicht unfehlbar sind und gerade Henry auch erzwungenermaßen Dinge tun muss, die sich nicht mit meinen Moralvorstellungen vertragen.

 

In der ersten Szene trifft die zwanzigjährige Frau Clare auf den Bibliothekar Henry (28 Jahre). Sie ist außer sich vor Freude. Endlich hat sie ihn gefunden! Er versteht nicht - die Frau ist ihm völlig fremd.

 

Henry ist ein Zeitreisender. Clare wird von ihm besucht, seit sie sechs Jahre alt ist. Allerdings hat die Version von Henry, die sie trifft, als sie zwanzig und er achtundzwanzig ist, noch nicht begonnen, sie in seinen Zeitreisen zu besuchen. Clare weiß, dass sie zusammenkommen und heiraten werden. Henry steckt aber eigentlich noch in einer Beziehung mit der schwierigen, depressiven Ingrid und hat selber ein paar arge Probleme, nicht nur aufgrund der Zeitreisen, sondern auch mit Alkohol und Untreue.

 

Besonders schön ist, wie viele kleine Ideen und zu Ende gedachte Konsequenzen die Autorin aus diesem Thema herausholt. Bis hin zu dem Arztsuche für Henrys Problem und der Diagnose, die ihm gestellt wird. Zu dem Kinderwunsch, der einen zunächst einen konsequent tragischen und sehr blutigen Weg geht (das ist nichts für schwache Nerven). Gegen Ende des Romans kommen noch ein paar richtig gute Einfälle, so dass ich jetzt schon auf die Fortsetzung warte ("The other husband" ist leider noch immer nicht erschienen).

 

Die Chronologie des Romans ist aufgrund Henrys Zeitreisen nicht ganz einfach. Die klar betitelten Kapitelüberschriften strukturieren das ganz gut. Wir wissen stets, wie alt die beiden in dem jeweiligen Kapitel ist und wann es spielt - in Henrys Fall ist da ja fast alles möglich.

 

Der Roman ist bemerkenswert gekonnt durchkomponiert, was aufgrund der Zeitsprünge sicher nicht ganz einfach war. Ob da wohl mal eine gut gefüllte Zeittafel beim Schreiben daneben gelegen hat?

 

Schon im ersten Kapitel, bei der Szene in der Bibliothek merke ich: Oh nein! Ich habe mal im Flugzeug den Film gesehen! Ich bin Grund und Boden gespoilert!

 

In der Tat habe ich den Film von 2009 mal bei einem langen Flug in die USA geschaut (auch wenn ich glaube, dieser Flug war erst 2018, denn ich habe den Film in recht frischer Erinnerung). Eine recht gute Idee, so dachte ich damals, wenn auch nicht so irre überzeugend als Gesamtpaket. So richtig gute Kritiken hatte der Film ja auch nicht. Dann weichen Buch und Film auch noch kaum voneinander ab, auch wenn ich beim Film mehr das Gefühl hatte, dass eindeutig der Mann, der zeitreisende Henry, die Hauptperson war und es weniger ausgewogen zwischen Henry und seiner Frau Clare war. Aber nach ein paar Kapiteln gewinnt der Roman für mich so an Dichte und Spannung, dass mich die Erinnerungen an den Film kaum mehr in meiner Lesefreude bremsen.

 

Vorteilhaft ist jedoch für mich, dass ich mich so in der recht komplexen Handlung sehr gut zurechtfinde. Da ich das Buch auf Englisch lese (auf Deutsch habe ich kein Ebook gefunden), bewahrt mich das vor allem anfangs vor Verwirrung.

 

Witzig finde ich einige Details, wie zum Beispiel, dass Henry in einer jüngeren Version es schafft, eifersüchtig auf eine ältere Version von sich zu sein. Nicht ganz zu Unrecht, denn mal hier mal da geht Clare irgendwie mit ihrem eigenen Mann fremd, schläft mit einer jüngeren oder älteren Version oder knutscht zumindest herum.  

  

Gut ist auch, dass thematisiert wird, dass Henry ja eigentlich älter ist, da er so viel Zeit außerhalb seiner eigenen Zeit verreist. Rein vom Kalender her ist er an einem Punkt in der Geschichte zwar 41, da er insgesamt aber locker bereits ein paar Jahre anderweitig unterwegs war, schätzt er, dass er biologisch 45 oder 46 sein müsste.

 

Fast schon witzig ist folgendes Zitat aus einem Kapitel aus Henrys Sicht, wenn man bedenkt, dass man ja Fiction liest:

"Without Clare, I would have given up a long time ago," I say. "I never understood why Clark Kent was so hell bent on keeping Lois Lane in the dark."

"It makes a better story," says Matt.

"Does ist? I don't know," I reply.

 

Eine sehr schöne Metapher fand ich übrigens hier, ebenfalls in einem Kapitel aus Henrys Sicht:

 

"I now have an erection that is probably tall enough to ride some of the scarier rides at Great America without a parent."

 

Insgesamt fand ich die Sexszenen auch bemerkenswert wenig peinlich, obwohl einiges sehr explizit benannt wurde. Das gleiche gilt für alle Informationen rund um Schwangerschaft und Geburt.

Außerdem gab es an vielen Stellen einen sehr feinen Humor, der mich hat lächeln lassen. Insgesamt ist es bemerkenswert lebendig geschrieben. 

 

Da es die deutsche Übersetzung nicht als Ebook gab, habe ich den Roman im Original gelesen. Das war vielleicht ein Glück, den laut dieser Rezension der Übersetzung ist diese an einigen Stellen mangelhaft.

 

Gekauft, weil es den Hugo-Award gewonnen hat und ständig als gutes Beispiel für Zeitreiseromane genannt wird.

Trivia und literarische Anspielungen

Es kann Zufall sein, doch ich halte es nicht für einen, da die Namen zu ungewöhnlich sind. Clare betont an einer Stelle, dass ihr Name ja eine Variation des Namen "Klara" sein. Als sie darüber nachdenkt, wie sie ihre Tochter nennen könnte, überlegt sie laut "Blanche, Blanca, Bianca" und entscheidet sich dann für Alba.

Die weibliche Hauptfigur im Geisterhaus von Isabel Allende heißt Clara, ihre Tochter heißt Blanca und ihre Enkelin Alba. Das muss eine literarische Anspielung sein. Das Geisterhaus war lange Jahre mein Lieblingsbuch.

 

Eine andere Anspielung, die zwar Zufall sein könnte, von der ich es aber nicht glaube, ist folgende. Henrys und Clares Freund Gomez und seine Frau Charisse bekommen eine Tochter. Sie nennen sie Rosa. Charisse berichtet:

"Gomez wanted to name her Wednesday, but I put my foot down,".

Das ist doch eine Anspielung auf die Addams Family, oder? Der Vater heißt Gomez Addams und hat eine Tochter namens Wednesday. 

Diversität

Es gibt eine schwarze Nebenfigur, eine Frau. Dazu eine schwule Nebenfigur, die AIDS hat. Außerdem gibt es am Ende auch eine recht wichtige männliche Figur, deren Familie aus China stammt.  

 

Der Sohn einer wichtigen Nebenfigur hat das Down-Syndrom und der Junge wird (in den wenigen Szenen, die er hat) sehr authentisch und positiv dargestellt, unter Berücksichtigung seiner Behinderung.

 

Ein paar sehr liebevolle Szenen mit sehr alten Menschen sind ebenfalls dabei. Ganz abgesehen mal davon, dass gegen Ende des Romans eine recht heftige körperliche Behinderung thematisiert wird, die aber hier spoilern würde.

Harte Fakten

Titel The Time Traveler's Wife 
geschrieben von Audrey Niffenegger 
Erscheinungsjahr 2003 
Seitenzahl 424 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1408133908856717315

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