Inhalt
Ich bin nun alles andere als eine Le Guin - Expertin, doch es wird. Bisher habe ich drei Romane ("Die linke Hand der Dunkelheit", "Freie Geister", "Der Magier von Erdsee", autobiografische Aufsätze ("Keine Zeit verlieren") und eine Erzählung ("Paradises lost") gelesen. Einige andere Erzählungen liegen noch auf meinem SuB.
"Paradises Lost" ist bisher meine Lieblingserzählung, dich gefolgt von dieser hier. Diese kurze Erzählung hat außerdem den Vorteil, dass sie sehr szenisch erzählt ist, was mir besser gefällt als die eher tempoarme Art und Weise, die Le Guin sonst bevorzugt. Einige Szenen am Ende haben mich ein wenig an "Den Magier von Erdsee" erinnert, auch wenn ich glaube, dass das daran liegt, dass ich den ersten Erdsee-Teil erst vor wenigen Tagen zu Ende gehört habe und womöglich auch eine recht spezielle Lesart habe.
Diese Erzählung gehört zum Hainish-Zyklus, wie auch "Die Linke Hand der Dunkelheit" und "Freie Geister".
Zehn Freiwillige sind unterwegs zu einer fremden Welt ("World 4470"), um diese zu untersuchen. Die Durchmischung ist divers, sowohl Männer als auch Frauen sind an Bord, hierbei sind fünf von der Erde. Die anderen sind Humanoide von anderen Planeten. Die Unterschiede zwischen den Wesen werden subtil angedeutet, hier und da kommt in den Dialogen die Befremdlichkeit den fremden Sitten gegenüber zutage, beispielsweise die Polygamie eines weiblichen Wesens einer anderen Welt, in der Monogamie so gar nicht angesagt ist.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Mr. Osden. Dieser wurde von Autismus geheilt und ist nun ein starker Empath. So stark, dass er die Gefühle seines Gegenübers nicht nur liest, sondern diese auch gleich mitfühlt und ggf. zurück spiegelt. Das führt zu einigen sehr guten Szenen, die gut zu Ende gedacht und beobachtet sind und die für mich schon das Herzstück dieser Erzählung sind und das beste, das ich bisher über Empathen gelesen habe.
Die anderen Figuren verabscheuen Mr. Osden, was dieser natürlich zwangsläufig bemerkt (und auch spiegelt...). Seine Teilnahme an der Expedition ist von großer Wichtigkeit: Wenn sie auf Leben stoßen, wird er in der Lage sein, es zu fühlen und auch zu fühlen, welche Gefühle von dem Lebewesen ausgehen. Zudem kann er auch Gefühle senden. Am Ort der Erkundungen angekommen stellen sie allerdings bald fest, inwieweit dieser Plan seine Unzulänglichkeiten hat.
Wenn ich ein Thema für die Erzählung benennen müsste, würde ich womöglich "Angst vor dem Fremden" wählen. Außerdem ist es eine sehr interessante Erstkontakt-Geschichte, fernab von eher plakativen Erzählungen über "kleine grüne Männchen". Bei der Geschichte wird sich ein Reread lohnen - oder auch mehrere. Da steckt auf recht wenig Raum sehr viel drin. Allmählich werde ich doch ein Fan von Le Guin.
Diversität
Mr. Osden ist (oder war) ein Autist. Eine asiatische Frau, Tomiko, hat das Kommando über die Truppe (und wird einmal rassistisch beschimpft). Es gibt ein weibliches Wesen von einem anderen Planeten. Tomiko ist davon befremdet, dass diese gleich zwei Liebhaber unter der Crew hat und zeigt im Dialog deutlich, dass sie das nicht versteht und ihrer Zimmergenossin (sie teilen sich ein Zimmer) unterstellt, diese würde es auch genießen, mit zwei Männern gleichzeitig zu schlafen (was diese aber ablehnt) oder sie legt nahe, dass diese wahllos von allen Herren des Schiffs körperlich angezogen wird (was diese ebenfalls entschieden ablehnt).
Harte Fakten
Titel | Unermesslich wie ein Weltreich - langsamer gewachsen (vaster than empire and more slow) |
geschrieben von | Ursula K. Le Guin |
übersetzt von | Gisela Stege |
Erscheinungsjahr | 1975 (wikipedia gibt 1971 an) |
Seitenzahl | ca. 50 |
Original Twitter Tweet | https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1407233701667393542 |
Kommentar schreiben