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Niemalsland von Neil Gaiman

Inhalt

Der Plot ist eigentlich nicht besonders spektakulär. Eine ziemlich typische Fantasy-Quest, wie vor allem die Ex-Rollenspielenden unter uns sie zuhauf kennen. Würde ich die Handlung in fünf Sätzen zusammenfassen, eure Augenbrauen würden sich kaum anerkennend heben.

 

Aber der Spaß steckt doch hier im Detail und dadurch wird aus dem Roman vielleicht kein Shakespeare, aber doch ein gewaltig unterhaltsames und mitreißendes Stück, das einen gern mal einen Woche begleiten darf und dabei den Alltag verschönert - laute Lacher inklusive.

 

Richard Mayhew ist ein ganz normaler Londoner zu Beginn eines möglicherweise recht spießigen Erwachsenenleben. Seine Verlobte klingt jedenfalls, als würde sie sich für ein derartiges Leben ganz gut eignen. Aber auf dem Weg zu einem Restaurant stolpert er geradewegs über ein verletztes Mädchen - und nimmt sie mit nach Hause. 

Das hat Konsequenzen. Nicht nur, dass seine Verlobte prompt mit ihm Schluss macht - zunächst suchen zwei sehr zwielichte (und extrem unterhaltsam vorgelesene) Typen nach dem Mädchen, das sich Richard als "Door" vorstellt. Richard kann Door erfolgreich vor ihnen verstecken und glaubt sein Abenteuer überstanden. Doch am nächsten Tag wird Richard in seinem Alltag außerdem von kaum jemandem gesehen, geschweige denn wiedererkannt. Nicht einmal seine Ex-Verlobte erinnert sich mit Bestimmtheit an seinen Namen. Seine Wohnung wird weitervermietet, sein Job existiert nicht mehr: Er steht plötzlich da, kerngesund zwar, aber ohne sein Leben.

Und da entdeckt er: Es gibt nicht nur das London, das er kennt. 

Dahinter - oder vielmehr darunter -  verbirgt sich noch eine weitere Welt: "Unter-London".

 

Bald schon verstrickt er sich in eine recht klar abgesteckte Quest mit einer angenehm überschaubaren Schar von Figuren in Unter-London. Während Richard die ganze Zeit das klare Ziel verfolgt, in "sein" London und sein altes Leben zurückzukehren, erlebt er in Unter-London gemeinsam mit Door, der Leibwächterin Hunter und dem eher ambivalent wirkenden Marquis ein Abenteuer, bei dem mehr als einmal seine Haut auf dem Spiel steht. Und da liegt auch schon eine der Stärken des Romans: Bei Gaiman atmen die Figuren einem alle direkt ins Ohr. Hier gibt es keine Blaupausen, keine Eindimensionalität, hier hat jede Figur ihre eigene Agenda, heimliche Pläne, unerkannte Tricks und nie kann ich mir sicher sein, wer hier richtig spielt und wer auf welcher Seite ist. Außerdem ist es eben handfeste Fantasy. Bei Serien heißt es, man ist erst tot, wenn die Zuschauenden die Leiche gesehen habe. Bei Gaiman ist man erst tot, wenn man am Ende des Romans noch immer tot ist. Jedenfalls vorerst. Vielleicht.

Obwohl der große ganze Plot vielleicht nicht irre originell ist; die vielen kleinen Ideen auf dem Weg dahin begeistern mich sehr. Es gibt einige Szenen, die werde ich so rasch nicht vergessen.

 

Es hilft, dass der Protagonist aus unserer Welt kommt und ich die unbekannte Welt durch seine verblüfften Augen sehe. Ähnlich wie bei American Gods, da stammt der Protagonist Shadow ja auch aus unserer Welt. Richard, der Held dieses Romans, ist dann auch ein wenig leichter zu verwundern als Shadow, und auch nicht ganz so schweigsam. Klar, American Gods ist vom Hauptplot her deutlich origineller, allerdings schweift Gaiman dort in Nebenkapiteln oft mächtig ab, während er sich hier straff ans Geschehen hält und man doch besser jedes Kapitel liest (bei American Gods konnte man auch welche weglassen), damit man nicht den Anschluss verliert. Einzig bei der Perspektive wird dann doch mal recht unsauber von der gut komponierten personalen Perspektive (meist Richards Sicht, aber auch gern mal eine andere zur Abwechslung) in die auktoriale oder zumindest arg plötzlich in eine der anderen Personen herumgeschwenkt (Head-Hopping?). Das hat mich etwas gestört.

Das geschah aber nur selten und ansonsten war es ein Heidenspaß! Am Ende möchte ich eine Party mit all den Figuren feiern - sogar den Antagonisten Mr. Vandemar würde ich dazu einladen, alleine schon, weil Stefan Kaminski ihn so irre genial spricht.

 

Der Autor gönnt seinen Figuren einen sehr runden Schluss. Als die Geschichte eigentlich zu Ende erzählt ist, ist noch eine Stunde übrig. Es folgt ein "alternativer Prolog" mit den Bösewichter Mr. Vandemar und Mr. Croup, den ich sehr genossen habe und etwas, das ich eine "mit dem Roman zusammenhängende Kurzgeschichte" nennen würde. Darin besorgt sich der Marquis seinen Mantel wieder. 

 

Sprecher Stefan Kaminski

Er liest die Bösewichte wirklich sehr, sehr gut. Er liest sie dermaßen gut, dass sich das Hörbuch schon alleine deswegen lohnt. Ich habe gleich mal geschaut, war er sonst so liest. Einiges, aber vieles davon Fantasy. Immerhin noch mehr von Gailman, darauf kann ich mich einlassen.

Diversität

Hunter und auch der Marquis werden als dunkelhäutig beschrieben. Außerdem gibt es eine schwule Nebenfigur (die außerdem auch Schwarz ist).

 

Ansonsten kann ich nichts sagen, so viele Figuren sind so abgefahren, dass ich vermutlich tonnenweise Anspielungen übersehen haben könnte, geschweige denn möglicherweise Religionszugehörigkeit (es kommt ja sogar ein Engel vor) oder sozial benachteiligte Personen. So viel Subtilität traue ich mir bei so viel Phantastik gar nicht zu! 

Harte Fakten

Titel Niemalsland (Original: Neverwhere)
Autor Neil Gaiman 
Erscheinungsjahr 1996 
Seitenzahl 432 
Länge Hörbuch 13 Std. 11 
Sprecher Stefan Kaminski 
Original Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1398146105842585602 

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