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Der grüne Planet - Anthologie des Hirnkost Verlags

Inhalt

Gekauft, weil dort mehrere Geschichten für den Kurd-Laßwitz-Preis 2020 nominiert sind. Aber auch etliche andere sind sehr lesenswert.

 

Die Stories sind angenehm unterschiedlich, wenn auch einige Ideen mehr als einmal auftauchten:

Es gibt ein paar Anspielungen auf Greta Thunberg, und erstaunliche viele Schreiberlinge rechneten damit, dass Ebola in naher Zukunft ein Problem werden wird.

Die Anthologie entstand vor Corona, trotzdem tauchen doch so einige Pandemien zumindest in der Nebenhandlung auf. Später im Band folgen dann ebenfalls mehr als eine Geschichte, in der Schnee sehr vermisst wird.

Außerdem habe ich einige tolle Pointen gefunden, zum Beispiel, dass sich erst am Ende herausstellt: Die Hauptfigur ist ein Roboter.

 

Sehr ausgefeilt waren auch die Ideen zum Exodus zum Mond oder zum Mars (oder woandershin im All) und ggf. (sehr viel) später die Rückkehr zur Erde. Gut ausgefeilt ist oft auch, wer auswandern darf - normalerweise die Bessergestellten. Fraglich ist nur, ob man auf dem Mond oder auf dem Mars wirklich besser dran ist.

 

In einigen Geschichten habe ich dann auch glaubhafte Zukunftsszenarien zum Sparen von Ressourcen gefunden, z. B. diese Stelle hier in Ute Wehrles "Weihnachtszauber":

"Und wie lange dürfen wir dieses Mal über die Feiertage die Klimaanlage anstellen?", fragte sie im Weitergehen.

"Wir haben neunzig Minuten pro Abend genehmigt bekommen. Mehr war leider nicht drin."

Dabei haben es ihre Figuren noch vergleichsweise gut, in anderen Szenarien gibt es gar kein Strom mehr oder sogar keine (oder kaum noch) Menschen.

 

Heidrun Jänchens Mietnomaden und Christian Endres' Der Klang des sich lichtenden Nebels hatte ich bereits für den Kurd-Laßwitz-Artikel rezensiert.

 

Hier meine drei persönlichen Highlights des Bandes:

 

Uwe Herrmann: Die Tage nach dem Lärm

Wenn sich Roboter unterhalten, kann es zu interessanten Dialogstücken kommen. Siehe hier:

"Halt bitte die Kameras nach 24er Kugellanger auf. Meine Gelenke machen nicht mehr lange."

Die Geschichte ist wirklich harter Tobak, aber verdammt gut. Oder gerade deswegen verdammt gut. Roboter erfüllen weiterhin ihre Funktion, mähen den Rasen, bereiten das Essen vor, obwohl längst keine Menschen mehr da sind und draußen Temperaturen vorherrschen, bei denen selbst Maschinen lieber im Schatten bleiben. Dann taucht doch noch ein Überlebender auf. 

Gruselig, auch die Pointe. Sehr überzeugend.

 

Tino Falke: Millenial Mammut Crash Derby 3000

Bei all den Geschichten mit Menschenflucht zum Mond, zum Mars, (fast) ausgestorbener Menschheit und Hitze auf Erden fällt Tinos Story positiv auf, durch das total andere Setting und den erfrischenden Plot. Tausend Jahre in der Zukunft gibt es eigentlich nur noch selbstfahrende Autos, deren CO2-Fußabdruck kaum noch ins Gewicht fällt.

Die Ich-Erzählerin der Geschichte ist Rennfahrerin: Allerdings in einem Oldtimer, den sie noch selber fahren muss und der vor Benzinverbrauch nur so trieft. Leider hat sie damit bei steigender Beliebtheit einen Trend in Bewegung gesetzt, deren Auswirkungen man in Natur und Klima bereits spüren kann.

Ich ahne die grobe Richtung der Pointe etwa drei Seiten vor Schluss, es kommt dann doch nicht ganz genauso wie erwartet. 

 

Kai Focke: Clouds across the moon

Angenehm wird es ja auch, wenn man schon andere Geschichten des Schreibenden kennt. Wie von diesem Autor die unvergessene Story mit der Weltraumschnecke

Die Kurzgeschichte ist aber im Gegensatz zu der unersättlichen Weltraumschnecke sehr erst. Die Figuren der Geschichte leben auf dem Mond und es nähert sich ein Schiff von der Erde. Da unten gibt es offenbar Probleme und die erste Fuhre erbittet Asyl auf dem Mond. Wir erfahren einiges zur Historie und dann wird Maximilian eingeführt, ein sehr alter Mann, der dem Präsidenten Ratschläge gibt, die für diesen schwer zu verdauen sind. Absolut harte Story und nichtsdestoweniger glaubwürdig. 

Es gibt noch einige andere lesenswerte Exodus-Stories in dieser Anthologie, diese hier hat mich am nachhaltigsten beeindruckt.

Diversität

Bei der Fülle an Geschichten habe ich sicherlich das eine oder andere übersehen, daher betrachtet die Aufzählung als nicht vollständig.

 

In Werner Zilligs "Apoikikai. Oder: Wie die Rettung der Welt begonnen hat" spielt Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft und, (aber nur kurz) Japan eine Rolle. 

 

Der Präsident des Mondes in Kai Fockes Geschichten "Clouds across the moon" ist sowohl Schwarz als auch von Geburt an blind.

 

In Olaf Kemmlers "Das Ende der Party" spielt ein Brasilianer (Nachfahre der Indios) eine Rolle. 

Harte Fakten

Titel Der Grüne Planet 
Herausgeber Hans Jürgen Kugler, René Moreau 
Erscheinungsjahr 2020 
Seitenzahl 290 
Anzahl Geschichten 23 
Original Twitter Tweet https://twitter.com/Rezensionsnerd1/status/1397617487274037248 

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