Inhalt
Der Roman spielt komplett in New York (nicht überraschend aufgrund des Titels) und folgt einem Quasi-Privatdetektiv, Ashley "Ash" McKenna, der den Tod seiner Freundin Cell untersucht. Betroffen macht vor allem, dass Cell ihn am Abend noch angerufen hat, da sie sich verfolgt fühlte und seine Hilfe wollte - doch der Ich-Erzähler Ash war zu betrunken, um den Anruf zu hören. Außerdem hat er nun einen Filmriss und erinnert sich nicht daran, was er in der Nacht getan hat oder wo er gewesen ist. Das ist unpraktisch, vor allem, als später die Polizei von ihm ein Alibi will.
Er beginnt selber den Mörder oder auch die Mörder:innen zu suchen. Dabei trifft er auf allerhand ihm bereits bekannte und noch unbekannte Figuren. Der Fall ist recht verwickelt. Trotzdem kann ich mich gut darauf einlassen, weil die Stadt New York so herrlich charakterisiert und Ash außerdem größtenteils sympathisch ist (mit ein paar Fehlern, über die ich hinwegsehen kann). Außerdem wird das Problem bezahlbaren Wohnraums in New York einmal mehr sehr authentisch (und leicht frustrierend) geschildert.
Im Klappentext wird die Geschichte als Kriminalroman bezeichnet. Das mag zwar streng genommen korrekt sein - es gibt einen Mord, einen Ermittler und eine Aufklärung - aber ich finde den Teil des Romans nun in der Gänze nicht unbedingt gelungen. Viele falsche Fährten, eine für mich enttäuschende Auflösung, die zudem zwei unterschwellige (vermutlich versehentliche) Botschaften transportiert, die ich schwierig finde. Ich lese den Roman eher als Sittengemälde vom Post-9/11 New York und einer angenehmen Entwicklung eines interessanten Charakters. Was die Entwicklung von Ash betrifft, hat der Roman sogar eine Pointe. Was die Aufklärung des Mords betrifft, kann ich nur sagen: Agatha Christie ist das nicht.
Ewig habe ich gegrübelt, warum ich diesen Roman gekauft habe. Er hat keine phantastische Komponente! Dann musste ich doch grinsen, als ich schließlich drauf kam. Vom gleichen Autor stammt auch "The Store", das ich gelesen und (nicht besonders enthusiastisch) rezensiert habe.
Offenbar hatte ich mir das auf die Merkliste gesetzt, bevor ich "The Store" durchgehört hatte. Nun, macht nichts, dieser Roman ist um Längen besser. Wenn ich meine Rezension von "The Store" anschaue, kann ich sagen, dass mehrere Aspekte bei diesem, neueren Roman besser geworden sind:
- Der Stil. Es gibt deutlicher weniger Phrasen, was natürlich auch an der Übersetzung liegen kann.
- Die Tiefe der Personen. Der Ich-Erzähler ist über die Maßen sympathischer und lebensechter als die beiden Hauptfiguren in "The Store". Er hat eine Vergangenheit: Sein Vater, ein Feuerwehrmann, starb als Held bei 9/11. Außerdem hat er in der Vergangenheit mal einen Vergewaltiger verprügelt. Insgesamt ist sein Verhältnis zu Gewalt eher ambivalent, zu sexueller Gewalt aber sehr klar. Er liebt und begehrt Cell, sie begehrt ihn aber nicht - und er respektiert das, wenn er es auch bedauert und er beendet nicht einmal die Freundschaft (und sie auch nicht). Das ist großartiges erwachsenes Verhalten und hat mich sehr auf seine Seite gezogen.
- Es ist witziger. Der Ich-Erzähler Ashley hat Humor. Sehr locker geschrieben und macht Spaß.
- Diversität. Es gibt eine Transfrau und ein lesbisches Pärchen. Die sind einfach trans bzw. (zumindest zur Zeit der Romanhandlung) in eine Frau verschossen, aber ansonsten ist das nicht weiter wichtig, es ist einfach so. Zu einem anderen Zeitpunkt tut Ash so, als sei er schwul und der Typ, der ihn eigentlich filzen soll, reagiert daraufhin befremdet, woraufhin er bei Ash in der Erzählung nur noch "der Homophobe" heißt. Erfrischend. Außerdem ist Ashs bester Freund ein Moslem aus Bombay.
Zwei Nachteile kann ich ebenfalls finden.
- Es gibt sehr, sehr viele Figuren und alles ist extrem verwickelt. Dazu noch Gangs, Drogendealer, Revierkämpfe - allzu perfekt konnte ich mich nicht orientieren.
- Eine phantastische Komponente oder SF (wie in "The Store") gibt es nicht, weshalb es gerade nicht hundert Prozent in mein Beuteschema passt.
Wenn Rob Hart weiterhin so große Qualitätssprünge macht, wird es sich sicher lohnen, auch den dritten Roman zu lesen.
Der Roman weist Merkmale zu Hard-Boiled-Detektivromanen wie "der Malteser Falke" (der sogar eine kleine Rolle in der Geschichte spielt) auf, bildet aber gleichzeitig einen sehr angenehmen Gegenpol. Während ich "der Malteser Falke" abgebrochen habe, weil ich mit der Sicht des Ich-Erzählers auf Frauen und (vermutlich) Schwule nicht mitgehen konnte, ist der Protagonist Ashley "Ash" McKenna hier eher feministisch und die Figuren des Romans angenehm divers. Die Sicht des Ich-Erzählers auf Frauen ist respektvoll und angenehm, obwohl er durchaus ständig sexuell interessiert ist, sich gern Brüste anschaut und definitiv ein Hetero-Cis-Mann ist, der auch keineswegs asexuell daherkommt.
Der Sprecher hat mir sehr gut gefallen. Ich konnte ihm gut stundenlang zuhören, sehr angenehm! Die Stimme passte außerdem zum Ich-Erzähler vom Alter und vom Temperament her.
Harte Fakten
Titel | Knock-out in New York |
Autor*in | Rob Hart |
Erscheinungsjahr | 2020 |
Seitenzahl | 353 |
Länge Hörbuch | 9 Std. 49 |
Sprecher*in | Markus Andreas Klauk |
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