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Wer wissen möchte, warum ich von diesem Autor nichts mehr lesen werde, scrolle nach unten.
Obwohl alle Geschichte eine Pointe haben, nehme ich mir mal nur die heraus, die mir besonders gut gefallen haben. "Apokalypse" ist eine jeder Stories, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, mit einer Zeitmaschine loszufahren, um den Holocaust zu verhindern. Hier gibt es durchaus auch ein paar Gedanken, die mir sofort einleuchten, die ich aber so noch nicht kannte:
„Ich frage Sie als Historiker – wenn Sie die Möglichkeit hätten, in der Zeit zurückzureisen, um den Holocaust zu verhindern, wie würden Sie vorgehen?“ [...]
„Ich würde verhindern, dass die Südstaaten den amerikanischen Bürgerkrieg verlieren.“
Der Professor sah mich mit einem anerkennenden Lächeln an. „Nicht übel, Herr Wolf. Begründung?“
„Mit dem Süden an der Macht wären die USA nie so schnell zu einer Industrienation geworden. Folge: kein entscheidender Eingriff der USA in den Ersten Weltkrieg. In weiterer Folge der Sieg des Deutschen Kaiserreichs, keine traumatische Niederlage und kein Grund zum extremen Nationalismus der Deutschen. Und damit – keine Nazis, kein Holocaust.“
„Das klingt, als hätten Sie sich schon einmal mit dem Thema auseinandergesetzt.“
Ich lehnte mich zurück. „Welcher Historiker tut das nicht? Hitler gewinnt den Krieg, die spanische Armada besiegt die englische Flotte, das Römische Reich zerfällt nicht und stemmt sich gegen die Völkerwanderung – solche Was-wäre-wenn-Spielchen sind ein Zeitvertreib, mehr nicht. Aber zurück zu Ihrer Frage ...“
Im weiteren Verlauf bietet diese Story einige weitere Ideen, die mich beeindruckt haben. Auch wenn ich jetzt nicht direkt finde, dass das Genre "Horror" es trifft, ich hätte es eher Science Fiction oder zumindest Speculative Fiction genannt.
Es gibt noch ein paar Highlights, wie zum Beispiel über ein Paar, dass im Stollen verschüttet ist und immer hungriger und hungriger wird. Die Geschichte besteht fast nur aus Dialog.
Dann eine sehr originelle, nette kleine Story über einen Ehemann, dessen Frau verstarb - unter doch mysteriöseren Umständen, so dass ich nun fast versucht bin, die Pointe zu verraten (nur so viel: Lachen und Weinen sieht von Weitem ähnlich aus).
Bei der titelgebenden Geschichte "Reiche Ernte" gehe ich nicht ganz mit, dass man jemand nicht mitbekommt, dass ein Kreuz falsch herum hängt - aber vielleicht war das ja 1945 noch anders?
Insgesamt kommt es doch unangenehm häufig vor, dass lediglich narrativ zusammengefasst wird und keineswegs szenisch erzählt. Und das, bei so kurzen Geschichten. Wie er dann aus solchen Vorlagen noch Comics machen konnte - da gibt es dann auch entsprechend viel Erklärtext, was das Lesen der Comics nicht sehr schmissig macht. (Ich hatte zuerst versehentlich den ersten Teil der Comics gekauft und gelesen.)
Warum ich von diesem Autor nichts mehr lesen werde
Mit einer Story schießt der Autor sich für mich ins Aus. Ich hatte die zweiseitige Story "Sommer" beim Lesen gar nicht begriffen, weil mir einige wenige Worte durchgerutscht waren. Eine sehr fundierte Rezension erklärte mir die Geschichte dann. Der Ich-Erzähler liegt im Gras und träumt vom Sommer. Am Ende setzt ihn seine Mutter zurück in den Rollstuhl. Der Rezensent sieht als Prämisse, dass die Behinderung hier nur als Effekthascherei genutzt wird, und zwar im Kontext von Geschichten wie "Stell dir vor, du bist ein Killer" oder "Stell dir vor, du wirst zum Kannibalen" und "Stell dir vor, du wärst ein Nazi". Außerdem ist die Darstellung der Lebenswirklichkeit von Behinderungen stereotyp und vor allem "wird die gesellschaftliche Vorstellung bedient, mit einer körperlichen Behinderung sei ein glückliches Leben nicht mehr möglich wird die gesellschaftliche Vorstellung bedient, mit einer körperlichen Behinderung sei ein glückliches Leben nicht mehr möglich". Der Rezensent schreibt weiterhin:
"Dass ich das Buch persönlich überhaupt nicht weiterempfehlen möchte, liegt an der schon genannten Geschichte, die in so zynischer und unbedachter Weise mit dem Thema Behinderung umgeht, wie ich es bisher nicht erlebt habe. Mir geht es dabei nicht um abstrakte „Political Correctness“. Es geht mir um die Lebensrealität von Lesern mit Behinderung und allen Lesern, die in ihrem Alltag privat oder beruflich mit diesem Thema zu tun haben. Behinderung wird ihnen hier in stereotyper Form als Schockeffekt vorgeführt. Sollte Reiche Ernte eine zweite Auflage erleben, können diese zwei Seiten gerne fehlen."
Außerdem wird kolportiert, dass der Erzähler in "Sommer" seiner Familie zur Last fällt, wenn dies auch äußerst subtil transportiert wird:
Ich sehe das Haus meiner Eltern und den großen Garten, die früher tadellosen, jetzt verwilderten Blumenbeete.
Sehe das verkrampfte Lächeln meiner Mutter, die auf mich zukommt.
Etwas zersplittert, nichts stimmt mehr.
Laut Nachwort hat der Autor dies als junger Mann geschrieben. Jugendsünden haben wohl die meisten von uns begangen: Aber veröffentlicht hat er es als Erwachsener und als erfahrener Autor. Aufgrund dieser Entscheidung lautet meine, dass ich nichts mehr von Matthias Bauer lesen möchte.
Harte Fakten
Titel | Reiche Ernte |
Autor*in | Matthias Bauer |
Erscheinungsjahr | 2019 |
Seitenzahl | 178 |
Anzahl Geschichten | 16 |
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