Inhalt
Ich hatte mich schon mal am illustrierten Mann versucht, bei den Mars-Chroniken bin ich etwas weiter gekommen. Bei Fahrenheit 451 fühlte ich mich, als würde ich an diesem Roman nicht vorbeikommen, wenn ich mich ernsthaft mit Science Fiction beschäftigen möchte. 1984 hatte ich schon vor Jahren gelesen, Brave New World hatte ich dann kürzlich nachgeholt.
Obwohl ich die Ideen von Bradbury durchaus schätze, kann ich jedoch sagen, ich werde keine Freundin seiner Prosa mehr. Woran das genau liegt, kann ich gar nicht so genau festmachen. Natürlich ist der Roman alt, aber viele Klassiker habe ich sehr genossen, allen voran Frankenstein, aber auch Blade Runner oder Solaris. Auch 1984 (Erscheinungsjahr 1948/49) hat mich sehr gefesselt. Das (alleine) kann also nicht der Grund sein.
Achtung, ab sofort nicht mehr spoilerfrei!
So richtig bin ich mit Guy Montag nicht warm geworden. Clarisse war ganz interessant, starb aber dann früh. Montags Ehefrau Mildred konnte anfänglich noch in Graustufen durchgehen, doch bald wurde klar: Sie gehört zu den Bösen. Ganz interessant fand ich Bösewicht Captain Beatty, da dieser ein paar ganz eindrucksvolle Reden zum Thema Buchverbrennungen hält. Schockierend daran ist von 2021 aus gesehen, dass einiges davon sogar einleuchtet. Geschriebenes abzulehnen oder zu verändern, da sich jemand davon diskriminiert fühlt, da es eine politische Richtung einschlägt, die gefährlich ist o. ä., sind ja durchaus auch aktuelle Themen.
Der Botschaft des Buchs, dass (gewisses) Fernsehen verdummt und Lesen bestimmter Romane den Horizont erweitern kann, das Weltbild ändern und überhaupt gut für den Geist ist, ist leicht zuzustimmen. Die Idee, dass alle Häuser feuerfest sind und die Feuerwehr nicht mehr zum Löschen, sondern zum Verbrennen von Büchern da ist, hat mir gut gefallen. Der Plot war ein wenig seltsam und ganz klar fand ich den roten Faden jetzt nicht. Wieso erfahren wir Leser:innen so spät, dass Montag Bücher bei sich versteckt hatte? Das passt doch eigentlich gar nicht zu seinem angepassten Charakter, den er vor der Begegnung mit Clarisse und dem traumatischen Ereignis mit der alten Frau, die sich gemeinsam mit ihren Büchern verbrennen lässt, hatte. Einiges leuchtete mir da nicht ganz ein.
Archivieren und zerstören
Wenn eine Gesellschaft so gezielt Bücher zerstört, dann helfen irgendwann auch die vielen Exemplare nicht mehr weiter. Bei so systematischer Ausrottung droht die vollständige Vernichtung alles Kulturguts. Gegen Ende des Romans trifft Montag auf andere Dissidenten und erfährt, wie diese dieses Kulturgut zu bewahren versuchen. Sie erwähnen explizit die Möglichkeit der Verfilmung auf Mikrofiche. Allerdings haben sie sich gegen diese Möglichkeit entschieden, da ein Versteck hierfür gefunden werden könnte. Digitale Möglichkeiten gibt es natürlich nicht, meiner Auffassung nach könnte das sogar noch einfacher gefunden werden und wäre im Vergleich zu Mikrofilmen auch deutlich anfälliger für Verfall (Bitfehler und co.). Stattdessen bewahren sie die Literatur in ihren Köpfen auf. Nett ist die Aufzählung, wer welches Buch im Kopf hat, welches Kapitel und welche Autor:in. Ich bezweifle zwar die Nachhaltigkeit dieser Methode, doch in der Realität des Romans bedient man sich eines ausgeklügeltes, selbst entwickeltem Mechanismus, die Leute dazu zu bringen, sich im Detail an das einst gelesene zu erinnern. Angeblich hätten wir alle ein fotografisches Gedächtnis, man müsse es nur aktivieren. Auch wenn ich das stark bezweifle, kann ich akzeptieren, dass dies in der Realität des Romans so ist. Auch die Dissidenten geben zu, dass mit dem Tod der Person auch das Werk verloren wäre. Sie haben jedoch Hoffnung, dass die Welt sich bald ändern werde und daher bald die Möglichkeit besteht, all die Bücher erneut niederzuschreiben. Angesichts der Masse der Literatur, die es in den Fünfziger Jahren bereits gegeben hat, bezweifle ich auch das sehr, habe aber diesen Optimismus beim Hören dennoch sehr genossen.
Fazit
Liegt es nun an dem semi-interessanten Montag, dem eher wenig nachvollziehbaren Plot oder den vielen Dingen, die ich schwer akzeptieren kann, dass mich der Roman nicht so mitgenommen hat? Die Ideen der Kurzgeschichten im illustrierten Mann oder den Mars-Chroniken konnte ich mehr abgewinnen, aber auch dort fehlte es mir an Identifikationsmöglichkeiten. Wenn ich mir die Rezensionen vieler SF-Romane so anschaue, fehlt(e) es da oft an der emotionalen Komponente. Erst kürzlich hatte ich ein ähnliches Problem mit den drei Sonnen von Liu Cixin (das habe ich gar nicht erst rezensiert). Womöglich kann ich nur für mich selber als Leserin feststellen, dass ich ganz unbedingt mit den Charakteren mitfiebern muss, weil es sonst keine Chance für mich gibt, das Buch zu genießen - und seien die Ideen noch so gut. Dies gilt für Romane weit mehr als für Kurzgeschichten, da kann ich auch mal nur die Idee genießen.
Es geht aber auch anders. Bei Blade Runner war ich absolut auf der Seite des Protagonisten Rick Deckard, schon ganz am Anfang, als er sich so sehnsüchtig ein echtes Schaf wünscht.
An einigen SF-Klassikern komme ich vielleicht nicht vorbei, aber ganz grundsätzlich sollte ich bei der Auswahl der Romane darauf achten, dass mir die Figuren nahe genug gehen. Lesen ist sonst für mich sinnlos.
Harte Fakten
Titel | Fahrenheit 451 |
Autor*in | Ray Bradbury |
Erscheinungsjahr | 1953 |
Länge Hörbuch | 5 Std. 50 |
Sprecher*in | Rufus Beck |
Kommentar schreiben
Christoph Grimm (Montag, 19 April 2021 11:33)
Es stimmt schon: Bradbury erzählt sehr distanziert. (Fun Fact: Er ist wahrscheinlich der Grund, warum meine Lektor*innen öfters mal „mehr Gefühl“ an den Korrekturrand meiner Manuskripte kritzeln :D )