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Später von Stephen King

Inhalt

Ich bin ein sehr sehr sehr sehr großer Fan von King, und das, seit ich damals mit 14 "Es" gelesen habe. Er müsste schon mindestens ein dutzend schlechter Bücher schreiben, bevor ich aufhöre, all seine Neuheiten blind zu kaufen.

 

Im Juni 2020 habe ich diesen Blog gestartet und seitdem deutlich mehr gelesen als vorher, viele richtig gute Klassiker und einiges aus Genres, die ich vorher weniger beachtet hatte (wie z. B. SF). Ich bin also heute deutlich belesener als Anfang 2020, als ich den letzten King gelesen habe. 

 

"Später" ist vom Plot her nicht der beste King aller Zeiten und die Figuren sind beim Lesen nicht so sehr meine besten Freunde geworden, wie ich es von ihm gewohnt bin. Ich denke, es ist ein eher mittelmäßiger King, auch wenn auch dieser seine Momente hat und definitiv lesenswert ist. 

 

Ich habe in den letzten zehn Jahren fast alles von King nur noch auf Englisch gelesen und "Später" auf Deutsch gehört. Auf Deutsch fallen mir natürlich Phrasen mehr auf und es gibt leider so einige. Daneben gibt es auch einige sehr gelungene, eigene Kreationen, die mich sehr amüsiert haben. Relativsätze mit "wo" finde ich jetzt auch nicht so irre gelungen, auch wenn dies bei Übersetzungen (u. a. von Siri Hustvedt und Clive Barker) wohl öfter mal vorkommt. 

 

Mit Sprache besticht King also wohl nicht- auch wenn ich noch die englischsprachigen, stets sehr gelungenen Dialoge im Ohr habe. Normalerweise gelingt es King auf wenigen Seiten bereits, die Protagonist:innen zu meinen besten Freund:innen zu machen. Hier ist das weniger auffällig, auch wenn die Figuren durchaus interessant sind, vor allem der ältere Nachbar der Hauptperson Jamie, der emeritierte Professor. 

 

Andere Aspekte finde ich sehr gelungen, wie zum Beispiel, dass Jamies alleinerziehende Mutter Tia Literaturagentin ist, dass ihr Bruder Harry an frühem Alzheimer leidet und dass Jamies Mutter lange Jahre in einer lesbischen Beziehung mit der korrupten Polizistin Liz lebt. Liz ist außerdem ein sehr ambivalenter Charakter mit viel Licht und Schatten und taugt als Semi-Bösewichtin daher sehr gut. Das Lesbischsein von Jamies Mutter und Liz steht hier nicht im Vordergrund, es ist einfach so und längst nicht das, was die Figuren in der Hauptsache ausmacht. Diesbezüglich hat King den Diversitätskontext locker bestanden. Genau so will ich das lesen. (Ähnliches lese ich gerade bei dem britischen Horror-Autor Graham Masterton, der in The House of a Hundred Whispers ebenfalls ein lesbischen Pärchen auftreten lässt, das komplex und vielschichtig dargestellt wird.)

 

Die Leiden und Nöte in einer Literaturagentur fand ich interessant und sehr überzeugend. Was, wenn der lukrativste Autor plötzlich stirbt? Was, wenn ein vielversprechender Titel doch floppt? Wie sehr kann man zusammenschrumpfen, ohne Kund:innen zu verlieren? Wie wirkte sich die Krise ab 2008 auf die Literaturszene aus? Ich habe das Gefühl, King kennt genügend Agenturen, um sich da auszukennen oder hat gut recherchiert.

 

Der zunächst etwa sechsjährige Jamie sieht tote Menschen. Er berichtet rückblickend von einem Alter um die vierzig aus, als Ich-Erzähler im Präteritum. Die erste Szene, in der er schildert, wie er in der Nacht verstorbene Frau seines 74jährigen Nachbarn sieht, ist so gelungen, dass ich sie erneut gehört habe. Beim ersten Hören war mir nicht klar, dass die Frau bereits tot ist und ich fragte mich, warum nur er mit ihr spricht. Beim zweiten Hören habe ich es dann ähnlich genossen wie jemand, der "The sixth sense" zum zweiten Mal anschaut.

 

Der Plot ist nicht sehr dicht, wenn auch durchaus interessant. Nach etwa der Hälfte des Romans habe ich schon das Gefühl, es könnte bald vorbei sein und fragte mich, was wohl in den verbliebenen vier Stunden noch kommen würde. 

 

Die Regeln sind sehr gut: Tote müssen die Wahrheit sagen. Sie sind unterschiedlich gesprächig, aber wenn Jamie ihnen eine Frage stellt, müssen sie antworten. In der Regel ist es ihnen dann auch egal - mit wenigen, sehr bemerkenswerten Ausnahmen.

 

King wäre nicht King, wenn sich nicht etwas monströses in die Geschichte gemogelt hätte (Tote sind ja per se nicht monströs, auch wenn sie oft fürchterlich aussehen). Bis zum Schluss hält die Story noch einige sehr interessante Wendungen und Aufdeckungen bereit, die sie lesenswert machen. Auch wenn "Später" für einen King-Roman eher auf einem mittelmäßigen Niveau bleibt. Damit stehe ich nicht unbedingt alleine da. Der Titel ist jetzt auch nicht unbedingt für jede:n sehr überzeugend, für mich auch nach dem Lesen nicht.

 

Sprecher

David Nathan ist schon einer von denen, der richtig gut lesen kann. Er klingt anders als wenn er synchronisiert, er liest genau richtig, nicht übertrieben und seine Stimme ist einfach angenehm. Auf von ihm gesprochene Hörbücher werde ich auch in Zukunft gern zurückgreifen.

Harte Fakten

Titel Später
Autor Stephen King
Erscheinungsjahr 2021 
Seitenzahl 304
Länge Hörbuch 7 Std. 40 
Sprecher David Nathan

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