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Keine Zeit verlieren von Ursula K. Le Guin

Inhalt

Das Buch ist eine Art Best-Of des Blogs, den Le Guin in ihren letzten Lebensjahren von 2010 bis 2017 betrieb. Das Original "No time to spare" wäre witziger zu lesen gewesen, denn im ersten Kapitel (bzw. Blogpost) beschreibt sie, wie sie einen Fragebogen der Harvard Universität ausfüllt und gefragt wird, was sie in ihrer Freizeit macht (Spare Time auf Englisch). Sie denkt darüber nach, dass sie mit über achtzig eigentlich keine Freizeit hat bzw. keine Zeit zu verlieren (= "no time to spare"). Ziemlich geniales Wortspiel. Lässt sich nicht perfekt übersetzen.

 

Sie ist so sympathisch. Ich wünsche mir, ebenso alt zu werden. Zwar haben mich die Blogpost-Themen zu Katzen nicht besonders interessiert, wohl aber alle anderen, vor allem jene zum Thema Alter, Schreiben und Literaturpreise. Sogar zu Klimawandel und Politik hat sie spannende Dinge zu sagen. Sehr amüsiert habe ich mich über ihre Worte zu Hemingway (talentiert, aber ein Blender), Joyce (überschätzt) und dass die Verehrung von Philip Roth sie tatsächlich "zur Weißglut" bringt. Sie gibt zu, dass diese Wut sicher auch von Neid gespeist wird, sagt aber gleichzeitig, dass dies nur der Fall ist, wenn sie einen Autor nicht mag - bei Virginia Woolf oder José Saramago kann sie seitenlange Würdigungen mit Freude lesen.

 

Wenn ich Le Guin zuhöre, bekomme ich sogar Lust, die Ilias zu lesen (oder zumindest den Film mit Diane Kruger erneut anzuschauen). Ich lerne, warum man Preise oder sogar den Literaturnobelpreis ablehnen kann (wie Sartre es getan hat), was für Briefe man als Autorin bekommt, was sie über Story und Plot denkt und wo ihrer Meinung nach der Unterschied liegt. Welche Fragen sie gern beantwortet, welche weniger gern. Was alt werden und alt sein bedeutet. Was es für sie bedeutet, eine Frau zu sein bzw. sich als Frau in einer Männerdomäne (Literatur) zu etablieren. Wieso sie überhaupt in der Science Fiction gelandet ist.

 

Besonders schön auch das Kapitel über ihre Sekretärin, Delores, und ihren traurigen Tod und dass sie es seitdem nicht über sich gebracht hatte, eine neue einzustellen. Oder auch das Kapitel, in dem sie und ihr Mann eine Klapperschlange nicht töten, sondern aufwändig woanders hinbringen. Solche sympathischen Momente birgt diese Sammlung an vielerlei Stellen.

 

Das Buch hat kaum dreihundert Seiten und liest sich sehr kurzweilig. Auch wenn der eine oder andere Blogpost mich nicht mitten in Hirn oder Herz trifft, habe ich doch fast alle Kapitel sehr genossen. Es fühlt sich fast so an, als hätte ich ein wenig mit der Autorin geplaudert - wenn ich mich in diesem Dialog auch eher auf Kopfnicken und passende Zuhörgeräusche beschränkt habe.

Harte Fakten

Titel Keine Zeit verlieren: Über Alter, Kunst, Kultur und Katzen 
Autor*in Ursula K. Le Guin 
Erscheinungsjahr 2018 
Seitenzahl 262 

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