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Freie Geister von Ursula K. le Guin

Inhalt

Le Guins neunter Roman in der Neuübersetzung. Der Held, Shevek, kommt vom Mond Anarres auf den Planeten Urras, eine für ihn sehr fremde Welt. Nur ist diese fremde Welt witzigerweise mir als "Erdling" nicht sehr fremd, da es viele Gemeinsamkeiten mit der Erde gibt. Diese Welt, "Urras", ist kapitalistisch, wie unsere westliche Welt und hat ähnliche Strukturen. "Anarres", die Welt, aus der der Protagonist, Shevek, stammt, ist der Mond von Urras und dort ist alles ganz anders. 

Monogamie ist nicht zwingend notwendig, manchmal sogar verpönt. Sie trinken keinen Alkohol, haben quasi keinen Besitz, Geld gibt es gar nicht.

Zwar gibt es Berufe, aber jede:r muss auch mal den Müll einsammeln oder das Quecksilber abbauen. Die Drecksarbeit wird also eher gerecht verteilt.

 

Ebenso gibt es auf Anarres keine Unterdrückung der Frau. Die Namen sagen nicht aus, ob jemand männlich oder weiblich ist, soziale Unterschiede gibt es nicht. Zwar können nur die Frauen schwanger werden und stillen, aber die Kinderbetreuung ist so gut organisiert, dass Frauen nur kurz pausieren müssen und recht bald wieder ihrer eigenen Lebensverwirklichung nachgehen können (aber nicht müssen, sie können ihre Kinder auch ganz oder teilweise selber betreuen). In Sheveks Fall hat sich die Mutter rasch dafür entschieden, weiterzuziehen, während sein Vater ihn lange selber aufgezogen hat. 

 

Zumindest eine Frau auf Urras, die zu Wort kommt, ist jedoch der Meinung, dass sie sozial gar nicht benachteiligt sei, sondern dass sie in Wahrheit hinter den Kulissen die Fäden in der Hand habe. 

 

Der Grund, warum Shevek Urras besucht, ist, dass er ein genialer Wissenschaftler ist, der an einer Theorie tüftelt, die es ermöglichen würde mit Überlichtgeschwindigkeit zu reisen. Auf Anarres interessiert man sich aber kaum für diese Möglichkeit. So nimmt er die Einladung urrasischer Wissenschaftler an, obwohl es unklar ist, ob er danach überhaupt auf seinen Heimatplaneten zurückkehren darf.

 

Abwechselnd wird von der Jetzt-Zeit (Shevek auf Urras) erzählt und von Sheveks Leben auf Anarres in der Vergangenheit, die ihn letztendlich auf diese ungewöhnliche Mission geführt haben.

 

Shevek hat nie Alkohol getrunken und als er es das erste Mal probiert, geschieht gleich ein Faux Pas, den ich deutlich heftiger verabscheue als die Frau, die er im betrunkenen Zustand sexuell belästigt. 

 

Im letzten Viertel wird es doch sehr politisch und revolutionär und ich werde nicht mehr in dem Maße mitgenommen wir noch zu Beginn des Romans.

 

Dieser Roman gilt als Utopie, auch wenn Anarres alles andere als perfekt ist. So wird Shevek beispielsweise aufgrund von Arbeitszuteilung einige Jahre von seiner Frau und seiner Tochter getrennt. Auch wenn die einhellige Meinung herrscht, dass dies zu lange war, ist dies wohl für kürzere Zeitspannen von etwa einem Jahr ganz normal. 

  

Anspruchsvolle, fremde Science-Fiction 

Die Welten, die Le Guin beschreibt, sind mir sehr fremd. In diesem Roman nicht ganz so sehr wie in 

Die linke Hand der Dunkelheit

Außerdem springt mir der Spannungsbogen nicht gerade ins Gesicht. Alles entblättert sich eher allmählich, wenig dramatisch.

Ihr Stil ist ungewöhnlich und so recht habe ich noch nicht entdeckt, was daran so Besonders ist. Mir wurde gesagt, dass Rhythmus und Sprachpoesie der Autorin sehr wichtig waren. Daher bin ich nun ganz froh, dass ich ihre Erzählungen auf Englisch gekauft habe, vielleicht entdecke ich es ja im Original etwas leichter.

 

Obwohl es fremde Welten sind, gibt es einige Anker, die mir vor allem anfangs, bevor ich mit den Figuren warm geworden war, leichter machen. Impfung gegen Masern und dass die urrasischen Strukturen jener unserer westlichen Welt sehr ähneln. 

 

Phrasen

Ich habe nur drei gefunden:

"... und er schlief wie ein Stein"

"... ging hart mit sich ins Gericht"

"... Warnungen in den Wind zu schlagen"

 

Ähnlichkeit zu "die linke Hand der Dunkelheit".

Die Parallele zu ihrem Roman Die linke Hand der Dunkelheit sehe ich recht bald: Auch hier kommt jemand von außen in eine ihm fremde Welt.

Auch hier kommt ein Charakter in eine ihm fremde Welt und betrachtet sie als ein Außenstehender, dessen eigene Welt sich in vielerlei Hinsicht unterscheidet. Das ist spannend und angenehm zu lesen, extra interessant, weil meine eigene Welt sich von beiden unterscheidet und eigentlich eher Anarres ähnelt als Urras. 

 

Stil

Ich komme nicht sehr nah an die Figuren heran. Das ist sicher Absicht. Ich werde mal noch ihre Kurzgeschichten aus "The Birthday of the World" lesen und mir dann ein tiefergehendes Urteil erlauben. Außerdem lese ich gerade "Keine Zeit verlieren", das letzte Buch der Autorin, und das genieße ich sehr.

 

Wissenswertes

Der Roman hat 1974 einen Hugo gewonnen, außerdem den Nebula und den Locus Award. Nützlich wäre es sicher gewesen, zunächst ihre Erzählung "Der Tag vor der Revolution" zu lesen, denn diese beinhaltet die Vorgeschichte der beiden Planeten Urras und Anarres, zweihundert Jahre zuvor. Ich glaube aber, man kann die Romanhandlung auch so verstehen. 

Harte Fakten

Titel

Freie Geister (frühere Übersetzung unter "Planet der Habenichtse")

Originaltitel: "The Dispossessed"

Autor*in Ursula K. le Guin 
Erscheinungsjahr 1974 
Seitenzahl 432 

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