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Books of Blood 1-3 von Clive Barker

Harte Fakten

Titel Books of Blood 1-3 
Autor*in Clive Barker
Erscheinungsjahr 1984 
Seitenzahl 512 (also mein Ebook hat daraus aber 1300 gemacht) 
Anzahl Geschichten 15 

Inhalt

Mit diesem dicken Wälzer war ich eine Weile beschäftigt - immer mal wieder zwischendurch. Im Vorwort outet sich der Autor geschickt, indem er über seinen Partner erzählt, wie er sich zu Halloween gekonnt verkleidete.

 

Wie schon beim Hören der Kurzgeschichte festgestellt, hat er einen sehr gehobenen, bildhaften Stil, der gut ins Ohr geht. Auf Englisch ist das natürlich eine Herausforderung. Hier und da ist mir ein bisschen zu viel Sex, das langweilt mich, aber irgendwas ist ja immer. Es gibt aber auch durchaus subtileren Horror. In einer der Geschichten erhält ein Mann einen Blowjob von seiner Geliebten, die gerade aus dem Krankenhaus zu ihm gekommen ist. Nach einer Weile stellt er fest, dass sie dabei nicht atmet. Außerdem ist ihre Haut kalt. Ihre Farbe wächsern. Sie ist tot. Das hat schon was.

 

Der Autor kann wirklich exzellent schreiben! Der Horror ist mir oft zu plakativ. Romane und Stories jüngeren Datums müssten anders sein (laut seinem Vorwort), ich denke das wäre eher etwas für mich. Wer kann da etws konkretes empfehlen?

 

Ich habe nicht alle Geschichten gelesen (siehe Detailbeschreibung), vor allem in Books of Blood III nicht. Obwohl ich lange Pausen zwischen den Geschichten gemacht habe, war ich dann doch irgendwann satt.

 

The Book of Blood 

Das dient quasi als Einführung, als Initiator für all die folgenden Geschichten. Die "Books of Blood" wurden geschrieben von den Toten - auf die Haut eines wunderschönen jungen Mannes (nun, nach all den Narben ist er nicht mehr hübsch, aber er war es davor). Geschrieben in einem Haus, in dem die Highways der Toten sich kreuzen. Jene Highways, nicht der normalen Toten, sondern von jenen, die gewaltsam gestorben waren. Na, da kann ja einiges auf uns zukommen.

Als Einführung finde ich die Story gelungen, als ich noch dachte, sie würde für sich selbst stehen, fand ich sie etwas übertrieben blutig. Aber ich merke schon hier, wie gut der Autor mit Worten umgehen kann, außerdem sind einige der Metaphern beeindruckend.

 

The midnight meat train

Hier ein Beispiel für eine sehr gelungene Passage. Das vermittelt einen passenden Eindruck der Fähigkeiten des Autors, was Metaphern und Sprache und einprägsame Bilder betrifft:

"He had seen her [the City of New York] wake in the morning like a slut, and pick murdered men from between her teeth, and suicides from the tangles of her hair."

In dieser Geschichte geht es um New York. Kaufmann, der sein ganzes Leben davon geträumt hat, in New York zu leben, ist bereits nach drei Monaten recht desillusioniert. Ich persönlich hätte gern noch zwei, drei weitere Details von Kaufmanns Persönlichkeit erfahren oder ihn in mehr Szenen erlebt. Immerhin lernen wir ihn aber etwas kennen, bevor er in die Action der Geschichte verwickelt wird.

In der Stadt geschehen Morde. Leute werden in U-Bahnen getötet, danach rasiert und ausgeblutet. 

Perspektivwechsel: Wir lernen den Mörder kennen. Deutlich flüchtiger als Kaufmann (was aber für mich ok ist). Schließlich geraten beide in dieselbe U-Bahn.

 

Einiges ist sehr spannend an dieser Geschichte und es ist definitiv Dark Phantasy und sehr rund, irgendwie auch überzeugend trotz aller Phantastik und an einigen Stellen sehr bildhaft und ekelhaft. Gruselig jedoch wird sie an keiner Stelle - warum nicht? Was einen gruselt, ist natürlich immer auch sehr subjektiv. Mich hätte mehr Subtilität gegruselt. Andeutungen, bevor etwas klar wird. Ein verschwommenes Bild in schwarzweiß, bei dem ich denke "Ist das etwa...?!". Hier ist es mir einfach zu dick. Dennoch ist die Geschichte gelungen, sehr lesenswert und vor allem die Sprache ist etwas, das nicht nur im Horrorgenre seinesgleichen sucht.

Diese Geschichte ist eine von jenen, die auch verfilmt wurde.

 

The Yattering and Jack

Die Geschichte ist mehr witzig und sehr, sehr originell als gruselig. Spannend wird sie im letzten Drittel aber durchaus. Der "Yattering", ein eher wenig mächtiger Dämon aus der Hölle hat den Auftrag, Jack Pole zu terrorisieren. Belzebub will seine Seele, aus Gründen, die später noch enthüllt werden. Allerdings lässt Jack sich durch gar nichts aus der Ruhe bringen. Auch nicht, als der Yattering drei Katzen hintereinander abmurkst. Der Dämon ist frustriert und fühlt sich impotent. Weihnachten wittert eine eine Chance - Jacks Töchter kommen zu Besuch. Er ahnt nicht, das Jack längst einen Plan hat.

 

Pig Blood Blues

Dass ich diese Geschichte im Original genießen durfte, hat Vorteile. Es geht um eine Sau, ein weibliches "Pig" und einen Polizisten (bzw. Ex-Polizisten), der im englischen Sprachraum auch "Pig" genannt wird, ich nehme an analog zum deutschen "Bulle". Laut meiner Twitter-Recherche ist Pig allerdings deutlich abwertender als Bulle und auch etwas altmodisch - aber die Geschichte ist ja wohl auch rund vierzig Jahre alt.

Protagonist Redman - eben jener Ex-Bulle - landet in einer Art Jugendknast als Lehrer. Dort lernt er vor allem die Psychiaterin kennen, aber nicht gerade mögen, und den jungen Insassen Lacey, der von den anderen drangsaliert ist. Gerade bei dieser Geschichte staune ich oft: Mann, kann der Mann schreiben! 

Die Horror-Komponente ist zwar originell, aber eben auch gewohnt drastisch. Sagen wir mal so: Säue sind nicht wirklich immer Vegetarier. Mit alten Leichen geht Barker auch wenig zimperlich um, auch wenn er nicht so sehr dazu neigt, den Verwesungsgeruch allzu blumig zu beschreiben, ganz anders als King in der Phase, als er u. a. "Christine" geschrieben hat. Der Schluss ist konsequent, der gesamte Plot ist sehr spannend und interessant, die Charaktere überzeugend. Besonders gefallen hat mir Redmans kurzes Rätseln darüber, ob er sich eigentlich zu Lacey auf romantische Art und Weise hingezogen fühlt - oder die Leute dies denken könnten.

 

Sex, Death and Starshine

Ich kann nur mehr und mehr Bakers Stil bewundern. Diese Story bleibt außerdem recht lange subtil - sie spielt in einem Theater, kurz vor der Premiere. Regisseur und Hauptdarstellerin haben eine Affäre. Dann treffen sie auf Litchfield, einen uralten Mann, den Witwer einer talentierten Schauspielerin, die früh starb. Was es mit ihm auf sich hat, bleibt lange im Dunkeln. Ganz wie ich es mag.  

Die Geschichte bleibt auch recht wenig plakativ und nimmt einen sehr interessanten Fortgang mit einigen tatsächlich gruseligen Szenen, eben weil er nicht so dick aufträgt. Sehr gelungen.

Außerdem kann dieser Mann wirklich über Sex schreiben. Hier eine Kostprobe:

"She wasn't much of an actress, but by God she was quite a performer. Faultless technique; immaculate timing: she knew either by instinct or by rehearsal just when to pick up the rhythm and bring the whole scene to a satisfying conclusion.

When she'd finished milking the moment dry, he almost wanted to applaud."

Wirklich. Milking the moment dry. Der Mann kann mit Sprache umgehen.

 

In the Hills, the Cities

Endlich mal eine Geschichte über ein homosexuelles Paar! Ich lese so selten schwule Autoren, meine bisher einzigen Stories zu homosexuellen Männern stammten von einer Frau. Jedenfalls, so weit ich mich erinnern kann. 

Mick und Judd sind unterwegs in Osteuropa, in einem VW. Sie besichtigen Kirchen, streiten sich, haben Sex. Dann stoßen sie auf tausende von Leichen. Ein Mann läuft herum und "erlöst" Sterbende durch Schüsse. Jemand klaut ihren VW und fährt damit davon.

Die Idee ist beeindruckend, aber in der Gesamtheit fand ich diese Story recht schwer zu verdauen, auch wenn vor allem der Anfang und der Schluss sehr gelungen sind. 

 

Books of Blood II

Dread

Zwei Studenten treffen sich in der Kneipe. Sie kennen sich vom Sehen vom Philosophiekurs. Interessanter Gedanke, den hatte ich noch nie, er klingt aber einleuchtend: Philosophie ist eine gute Möglichkeit, sich über seine Ängste (Dread) zu unterhalten.

Es bleibt selbstverständlich nicht beim Unterhalten. Die drei Figuren dieser Geschichte - zwei Männer und eine Frau - haben unterschiedliche Ängste. Es beginnt mit einem sehr gruseligen Experiment, doch dabei macht die Geschichte nicht halt. Letzt endlicher wird jede:r der dreien mit seiner/ihrer Angst konfrontiert. Hier gibt es keine phantastischen Elemente. Der Schluss kommt mir etwas konstruiert vor. Die erste Hälfte der Geschichte hat mir besser gefallen - und war in ihrer Subtilität auch gruseliger.

 

Hell's Event 

Ein Charity-Lauf und ein paar ehrgeizige Prof-Läufer. Damit hat er mich schon - war ich doch selber bei einem Marathon und etlichen Halbmarathons dabei (wenn auch als Amateurin).  

In dieser Geschichte findet sich mal wieder ein exzellentes Beispiel für die Wortgewalt der Beschreibungen des Autors:

 

Needles of cold penetrated his head, his teeth, his eyes, his fingers. He felt as though he'd been thrown naked into the heart of an iceberg. His blood seemed to stand still in his veins: the spit on hi tongue crystallized: the mucus on the lining of his nose prickled as it turned to ice.

 

Ganz offenbar steckt hinter diesem Charity-Lauf ein ganz anderes Event, ein "Hell's Event". Auch wenn einiges im Verlauf der Geschichte  mir persönlich zu plakativ ist, das erste Drittel ist sogar ein wenig gruselig und das Ende ist sehr überzeugend.

 

Jaqueline Ess: Her Will and Testament

Kürzlich habe ich bei Twitter gelesen, dass Horror oft sexistisch ist. Nun. Barker kann ich das nicht vorwerfen. Die Protagonistin hier ist echt mächtig und die Männer sollten sich bei ihr lieber nichts erlauben. 

Auch wenn ich die Idee einer Frau, die mit Körpern Kraft ihrer Gedanken alles antun kann, was sie will, hat mich die Geschichte nicht bis zum Schluss gefesselt. Ein wenig retten konnte das eine Weile noch ihr abgelegter Liebhaber Vassi, den ich recht überzeugend fand, aber am Schluss kam ich nicht mehr besonders gut klar.

 

The skins of the fathers

Diese Story habe ich abgebrochen

 

New murders in the rue morgue

Hier habe ich nach zwei Seiten pausiert und erst einmal meine Hausaufgaben gemacht. Zwei Geschichten von E. A. Poe werden erwähnt, die habe ich dann erstmal gelesen - Poes gesamtes Werk liegt ja eh auf meinem Tolino herum und ich wollte alles in der richtigen Reihenfolge lesen. Der Doppelmord in der Rue Morgue sollte man in der Tat vorher lesen, da diese Geschichte diese sonst spoilert. Allerdings muss ich sagen, dass die Geschichte von Poe in einem anderen Universum spielt als diese hier. Poes hervorragenden Kurzkrimi habe ich sehr genossen, während New murders in the rue morgue nur so vor sich hin plätschert und vielleicht ein bis zwei sehr seltsame (und nicht unbedingt glaubwürdige) Wendungen hinlegt.

Lewis, ein alter Mann im Pariser Winter, nicht unsympathisch, ist der Großneffe des Auguste Dupin, dem großartigen von Poe erfundenen Detektiv. Nur dass der Detektiv nicht erfunden war, er beruhte eben auf Lewis Großonkel. Die damaligen Morde in der Rue Morgue sind tatsächlich passiert und wurden von Lewis' Großonkel aufgeklärt.

Lewis wird nun von seiner alten Freundin Catherine gebeten, ihrem Bruder Philippe zu helfen - dieser sei angeklagt, seine neunzehnjährige Liebhaberin getötet zu haben. Er ist Ende sechzig, Lewis staunt, dass er eine so junge Liebhaberin hat. Philippe wird als sehr gutaussehend beschrieben. Doch der Knast hat ihn gebrochen. Oder ist es doch etwas anderes?

Der Zusammenhang mit Poes Geschichte ist mir schon klar und der ist auch ganz nett. Doch während Poes Geschichte eine gute Gelegenheit zum Miträtseln ist und außerdem ein Lesegenuss, weil sie verdammt gut gemacht und geschrieben ist, bleibt diese Geschichte weit unter Barkers Möglichkeiten, sowohl stilistisch, als auch sprachlich und inhaltlich. Und dieses "Zum Schluss sind (fast) alle tot" ist mir ein zu billiges Ende.

 

Books of Blood II

Son of Celluloid

Nach einem vielversprechenden Anfang mit einer Verfolgungsjagd und einem angeschossenen, entflohenen Häftling, hat mich die Geschichte irgendwann aufgehört zu interessieren.

 

Rawhead Rex

Ebenfalls: Beginnt vielversprechend und stilistisch außergewöhnlich gut. Ganz Barker, eben. Dann aber kommt allzu schnell ein Monster vor, das mich keinen Deut interessiert. Ist mir zu dick, zu klar, zu sehr Horror. Da bin ich nicht die Zielgruppe.

 

Confession of a (pornographer's) shroud

Ein Buchhalter, der selber kaum Interesse an Sex hat und viel Wert auf Moral legt, nimmt einen gut bezahlten Job an. Er weiß nicht, dass er nun in der Porno-Branche am Rande der Legalität arbeitet. Als er es herausfindet, rächt er sich furchtbar - was wiederum nicht ungesühnt bleibt.

Das Phantastische beginnt erst mit seinem Tod.  

 

Scape-goats

Auch das hat mich nicht gefesselt. 

 

Human remains

Na endlich! Ich dachte schon, die Books of Blood III wären für mich nur eine Reihe abgebrochener Geschichten. Diese hier, um den jungen Mann, den Prostituierten Gavin, fand ich extrem spannend. Nicht nur, dass es dem Autor gelungen ist, sich extrem gut in die Lebenswirklichkeit einer männlichen (Edel-)Nutte einzufühlen, auch der Horror war hier mal etwas subtiler und es gab keinen "Am Ende sind eh alle tot"-Schluss, sondern tatsächlich etwas deutlich originelleres. Herrliche Details, tolle Sprache, sehr lebensecht. Daumen hoch. Vielleicht blättere ich mich doch durch die restlichen Books of Blood und lese einfach nur, was mir auf den ersten Seiten gefällt, so teuer sind sie ja nicht.

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