Harte Fakten
Titel | Im Kreis des Wolfs (Original: The Loop) |
Autor | Nicholas Evans |
Erscheinungsjahr | 1998 |
Seitenzahl | 512 |
Inhalt
Empfehlung von der Bundesvereinigung für Stottern
Es ist witzig, wie ich manchmal an gute Bücher komme. Hier habe ich via Twitter gefragt, wer mir Bücher empfehlen kann, in dem stotternde Figuren vorkommen und die Bundesvereinigung für Stottern e. V. hat mir unter anderem dieses Buch empfohlen.
Inhalt des Buchs
USA, Montana, Ende der Neunziger. Ein Wolfsrudel in den Bergen. Im Tal leben Rinder-Rancher, die keineswegs Wolf-Fans sind, da es schon vorgekommen ist, dass Wölfe Kälber reißen. Doch Wölfe sind vom Aussterben bedroht und sollen wieder angesiedelt werden.
In der ersten Szene schon tötet ein Wolf, der Alfa-Rüde des Rudels, einen Hund. Ein Baby war in der Nähe. War der Wolf etwa hinter dem Baby her? Darüber hinaus handelt es sich bei dem Baby auch noch um den Enkel des einflussreichen Rancher Buck Calver.
Die Expert:innen müssen sich darum kümmern: die Wölfe fangen und mit Halsbändern versehen. Sie beobachten. Gegebenenfalls umsiedeln. Oder, falls sie sich als gefährlich erweisen, auch töten.
Hierfür wird die Wolfs-Expertin Helen eingeflogen. Sie zieht in eine Hütte in den Bergen und beginnt ihre Arbeit. Diese wird erschwert durch die Feindseligkeit der Einheimischen - und jemand manipuliert ihre Fallen, so dass sie keinen Wolf fängt. Doch dahinter steckt etwas anderes, als sie zunächst vermutet.
Meine Meinung
Das Setting ist super beschrieben. Einfach herrlich. Ich fühlte mich, als sei ich in der kleinen Stadt Hope in Montana, als würde ich gemeinsam mit Helen und Luke durch die Berge klettern, als könnte ich das Wolfsgeheul hören. Das hätte man nicht besser machen können.
Ebenfalls sehr gelungen sind die Grautöne bei den Figuren. Die Held:innen haben Schwächen und handeln nicht immer absolut korrekt und sicher. Die Antagonisten zweifeln auch mal hier mal da an ihrem Tun, an ihren Überzeugungen. Besonders gelungen ist das mit dem alten Wolfsfänger, der durch den Krebstod seiner Frau menschlich gemacht wird. Sehr gut fand ich auch Lukes Vater Buck Calver, der im Laufe des Romans einiges einstecken muss.
Im den ersten beiden Dritteln des Romans hatte ich dieses Gefühl, ein so dermaßen gutes Buch zu lesen, dass ich es kaum glauben kann und sechs von fünf Sternen vergeben möchte. Das fällt dann etwas ab, vor allem ganz am Ende. Ich denke, das liegt daran, dass der Showdown etwas sehr schnell geht und irgendwie zu dick aufgetragen ist. Da wäre mir weniger lieber gewesen. Dennoch kann ich mit dem Ende leben. Es hält nur nicht mit dem vielversprechenden Anfang mit.
Mir werden außerdem zu viele Wölfe getötet, auch Welpen, was schwer zu lesen ist. Während ich anfänglich noch beide Positionen gut nachvollziehen kann, nehme ich zum Ende hin immer mehr die klare Position pro-Wolf ein, vor allem auch aufgrund einiger Handlungen der Antagonisten im Roman.
Alle Figuren sind sehr gut gelungen. Das Setting ist wundervoll. Ich denke nur, der Plot hätte am Ende durch einiges noch gewinnen können. Aber da jammere ich wirklich auf sehr hohem Niveau. Ich kann das Buch dennoch sehr weiterempfehlen.
Schön fand ich die Beschreibung des Autors, was mit Familien passiert, die ein Kind verloren haben. Da ich selber aus so einer Familie stamme, fühlte ich mich auf respektvolle, empathische Art und Weise angesprochen. Der Autor schreibt sinngemäß, dass nicht alle Familien ans Licht zurückfinden und viele im Dunkel verbleiben. Oder, im Falle der Calvers, in einer Art Zwielicht verbleiben, das sie für sich gefunden haben. Ich würde es für mich persönlich ein wenig anders beschreiben, glaube aber, dass diese Beobachtung dennoch treffend genug ist und kann nur heftig mit dem Kopf nicken. Danke dafür.
Luke, die stotternde Figur
Luke ist quasi der männliche Protagonist, während Helen, die weibliche Protagonistin ist. Beide sind gleichermaßen die Held:innen in diesem Buch und gleichermaßen wichtig und beide sind Identifikationsfiguren und haben deutlich die meiste Zeit "On Air". An dritter Stelle steht vermutlich Buch Calder, Lukes Vater, der aber zu den Antagonisten gehört (das lasse ich männlich, da ich keine weiblichen Antagonistinnen entdeckt habe).
Warum Luke zu stottern begonnen hat, wird gut dargestellt, ebenso, wie es sich für ihn anfühlt, in welchen Situationen er besonders stottert und auch, wie seine Therapie läuft. Der sanfte Charakter Lukes hat mir sehr gut gefallen, ebenso seine anfängliche, zum Teil selbst gewählte Einsamkeit. Einige seiner Gedanken und Details aus seiner Biographie werden mir dabei helfen, meine eigene (ehemals) stotternde Figur, Leon aus "Oliven unter Wasser", besser kennenzulernen und weiterzuentwickeln. Insofern war das Lesen dieses Buchs schon mal ein voller Erfolg für mich. Gern weitere Tipps an mich!
Phrasen: Zu oft gelesen
Der Roman ist gut geschrieben. Alle Sinne werden angesprochen. Die Dialoge sind nicht ganz so treffend, was aber die Beschreibungen wieder gut machen.
Da ich aufgrund meines Blogprojekts auf yvonnetunnat.com zurzeit verstärkt, darauf achte, habe ich alle Phrasen gesammelt, die ich außerhalb von wörtlicher Rede finden konnte.
Dies sind hier nur sechs gewesen auf mehr als fünfhundert Seiten. Das ist ja schon nahezu sauber und fast frei von Sprachklischees. Wie es im Original ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Diese lauten:
- gefundenes Fressen
- im Handumdrehen
- Wolf im Schafspelz (was aufgrund des Themas wohl auch ganz nett ist)
- Wie ein Lauffeuer verbreiten
- ins offene Messer
- platzte ihm der Kragen
Der Autor
Nicholas Evans, das ist der Autor, von dem auch "der Pferdeflüsterer" stammt. Dann ist das also ein Mädchenbuch?, wurde ich gefragt. Eher nicht. Ich kenne den Pferdeflüsterer bisher nicht, weder Film noch Buch, aber nun wäre ich bereit, es zu lesen, da mir "Der Kreis des Wolfs" mit wenigen Abstrichen sehr gut gefallen hat.
Bisher hat er insgesamt fünf Bücher veröffentlicht, dieses hier war das zweite. Sie erscheinen etwa im Abstand von drei bis fünf Jahren. Früher oder später lese ich die anderen auch.
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