Harte Fakten
Titel | The White Man's Guide to White Male Writers of the Western Canon |
Autor*innen | Dana Schwartz , Jason Adam Katzenstein |
Erscheinungsjahr | 2019 |
Seitenzahl | 272 |
Inhalt
Das Lesen hat viel Spaß gemacht!
Hier wird Leben und Werk von zwei Dutzend Schriftstellern zusammengefasst. Keine Frauen. Keine People of Color. Nur weiße Briten, Nordamerikaner, zwei Russenund ein Deutscher (Goethe).
Vorgestellt werden uns diese Herren von einem sehr überheblichen, weißen Nachwuchsschriftsteller, der sich für etwas besseres hält und offen sexistisch ist, ohne es zu merken. Natürlich steckt da eine Frau dahinter.
Während der vordergründige Verfasser des Texts, der oft in der Ich-Form Kommentare abgibt, offenkundig nicht merkt, was er da so von den Idolen der letzten paar hundert Jahre preisgibt, merken wir Lesende das durchaus.
Eigentlich wollte ich an einem Samstagnachmittag nur so viel davon lesen, bis ich keine Lust mehr hatte. Ich habe das ganze Buch bis abends durchgelesen. Unterhaltsam. Sicher nicht immer fair, aber doch durchaus mal witzig, das so zusammengefasst zu sehen.
Einige Dinge ziehen sich wie ein roter Faden durch (fast) alle Autoren Portraits. Entweder hatten sie Geld, um in Ruhe schreiben zu können, oder es gab eine Frau, die alles andere Lebensnotwendige erledigt hat. Besonders krass im Fall von Tolstoi, der mit seiner Frau dreizehn Kinder hatte und sie trotzdem irgendwie noch Zeit finden musste, "Krieg und Frieden" dreizehn mal (!) sauber für ihn abzuschreiben, während er das Manuskript überarbeitete. Abschreiben! Ich habe das Mörder-Ding nicht mal gelesen (bisher). Hinterlassen hat er sie nach seinem Tod aber durch einige seltsame Entscheidungen fast völlig mittellos.
Ebenfalls auffällig ist, dass sich viele der besprochenen Autoren sehr gern mit extrem jungen Frauen umgeben haben. Einige vermitteln sogar ein Frauenbild in ihren Romanen, dass Frauen ab einem gewissen Alter (in der Regel 33) nicht mehr attraktiv sein können. Im Extremfall baggern hier Siebzigjähre Frauen unter zwanzig an und rechnen sich Chance aus. Wenn es nicht klappt, werden Liebeskummergedichte geschrieben (ja, ich spiele auf Goethe an).
Das Sachbuch ist witzig. Und absolut unsachlich. Das macht Spaß. Vor allem, wenn man eben nicht zur Gruppe der weißen Männer gehört. Ich habe gelesen, dass Frauen wie Kate Wilhelm nachts geschrieben hatten, weil sie sich tagsüber um die Kinder gekümmert haben. Andere fingen erst mit fünfzig an, weil vorher keine Zeit war. Und wer weiß, wie viele Romane von Frauen wir eben nicht gelesen haben, weil diese mit Haus und Kindern beschäftigt waren.
Dabei klingt das Buch weder verbittert noch wütend. Dadurch, dass die Autorin den "Fake-"Ich-Erzähler vorangestellt hat, berichtet ja jemand, der komplett auf der Seite der Portraitierten steht. Er findet es richtig, wie diese sich verhalten haben und welche Werke sie geschrieben haben.
Einige dieser Romane habe ich selber seit Juni 2020 gelesen:
Andere kenne ich von früher (z. B. der alte Mann und das Meer). Teilweise sind die sehr knappen Zusammenfassungen der Werke sehr treffend, manchmal aber auch nicht sehr fair oder bleiben (absichtlich) sehr an der Oberfläche. Daher ist es definitiv witziger, die Portraits zu lesen, wenn ich die Autoren kenne. Dann kann ich besser sehen, was dran ist und ggf. wissend kichern. Ich habe aber längst nicht alle besprochenen Autoren gelesen und bin weit weg davon, alle Werke zu kennen. Ein echter "Guide" ist das so nicht.
Nach meinem Gefühl werden die Sünden der weißen Herren gegen Ende kleiner - bei den drei Jonathans (Franzen, Lethem, Safran Foer) und Philip Roth kann ich mich nicht so aufregen wie bei Salinger oder Tolstoi. Offenbar war man zu früheren Zeiten deutlich unverschämter zu den Damen und anderen Mitmenschen.
John Updike bekommt besonders sein Fett weg, weil er offenbar sehr "gut" darin war, stereotypische Frauen zu beschreiben und sich dabei sehr auf das Äußere zu fixieren. Von ihm stammen übrigens die Rabbit-Romane (die Zusammenfassungen in diesem Werk machen nicht gerade Lust darauf, die Rezensionen bei amazon übrigens auch nicht unbedingt) und "The Witches of Eastwick" (ich erinnere mich da an eine Verfilmung).
Updike ist besonders gut darin, das Äußere seiner weiblichen Charaktere zu beschreiben. Kleiner Auszug aus dem "How-to":
"Her eyes are either startingly green or muddied green, depending on whether she will make your protagonist Happy or Sad. When she has sex with your protagonist, use that as an opportunity to describe her ivory skin and freckles. If a woman is unattractive, find out exactly what is wrong with her and zero in on it with precision: Are her legs too thick? Does her upper lip sprout a few blonde hairs?"
Witzig sind einige Zusammenfassungen, manchmal sind sie doch treffend. Man nehme jene von Kafkas "Verwandlung":
"A man named Gregor Samsa wakes up to find that, for no reason whatsoever, he has been transformed into a giant insect. He mostly worries about the fact that he's going to have to miss work. [....]"
Ich wollte mir die 1- und 2-Sterne Rezensionen zu diesem Buch bei amazon durchlesen. Aber es gibt keine. Nur die 5-Sterne-Rezensent*innen haben Text dazu geschrieben.
Es werden 34 Autoren besprochen (Portrait Nr. 32 besteht aus drei Autoren):
- William Shakespeare
- John Milton
- Samuel Johnson
- Goethe
- Lord Byron
- Charles Dickens
- Henry David Thoreau
- Leo Tolstoy
- Henry James
- James Joyce
- Franz Kafka
- F. Scott Fitzgerald
- William Faulkner
- V. Nabokov
- Ernest Hemingway
- John Steinbeck
- John Cheever
- Saul Bellow
- J. D. Salinger
- Charles Bukowski
- Jack Kerouac
- Kurt Vonnegut
- Norman Mailer
- John Updike
- Philip Roth
- Cormac McCarthy
- Don DeLillo
- Thomas Pynchon
- Raymond Carver
- David Foster Wallace
- Bret Easton Ellis
- The Jonathans (Franzen, Lem, Safran Foer)
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