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Der begrabene Riese von Kazuo Ishiguro

Harte Fakten

Titel Der begrabene Riese
Autor*in Kazuo Ishiguro
Erscheinungsjahr 2015
Seitenzahl 416 
Länge Hörbuch 13 Std. und 25 Minuten
Sprecher*in Gert Heidenreich

Inhalt

Über die Geschichte

Die Geschichte beginnt mit dem älteren Ehepaar Axl und Beatrice. Axl erinnert sich an Dinge, an die sich sonst niemand erinnert. Ein ganz leises phantastisches Element - oder sind nur einfach alle anderen vergesslich? Das Tempo ist eher bedächtig, die Sprache außerordentlich schön. Die Figuren wachsen mir gleich ans Herz, obwohl ich eigentlich noch nicht viel erfahre.

 

Interessanterweise ist alles szenisch erzählt. Es gibt keinen Info-Dump. Kein narratives Zusammenfassen. Keine Rückblicke. Ich verfolge die Figuren im Hier und Jetzt und bin stets bei ihnen. Man könnte das so nehmen und verfilmen. Dennoch schreitet die Handlung nur langsam vorwärts.

 

Besonders gut zu beobachten kurz vor einer Kampfszene. Bevor es zur Sache geht, tauschen sie sich eine gefühlte Stunde via Dialog aus. Der eigentliche Kampf ist dann eher kurz. 

 

Was ich begrüße: Anders als sonst in phantastischen Romanen wird der Tote, obwohl feindlich gesinnt, betrauert. Ein Menschenleben ist immer etwas wert, jedenfalls für Axl und Beatrice.

 

Vordergründig geht es um die Reise des älteren Paares und ihrer Reisegefährten, dem Krieger Wistan, dem zwölfjährigen Edwin und dem letzten Ritter der Tafelrunde, Gaiwan. Wistan hat den Auftrag, die Drachin Querig zu töten, Gaiwan hat diesen Auftrag ebenfalls, und zwar schon seit Jahrzehnten und noch immer ist die Drachin am Leben.

 

Axl und Beatrice sind unterwegs zum Dorf ihres Sohnes. In einer Schlüsselszene zu Beginn begegnen sie einem Fährmann, der von einer wütenden Frau verfolgt wird. Die Frau setzt dem Fährmann zu, weil er einst ihren Mann zu einer Insel übersetzte, sie aber nicht und sie seither alleine ist. Axl und Beatrice sind versucht, Partei für die Frau zu ergreifen, hören aber vorher den Fährmann an, der ihnen erklärt, dass er ein Paar nur dann übersetzen kann, wenn diese ihm durch gemeinsame Erinnerungen beweisen können, dass sie tief in Liebe miteinander verbunden seien. Das konnte jenes Paar damals aber nicht. Beatrice ist beunruhigt. Durch den Nebel des Vergessens sind auch Axl und Beatrice nicht in der Lage, gemeinsame Erinnerungen zu beschreiben. Aber wie kann der Nebel des Vergessens zum Verschwinden gebracht werden? Und wie ist er überhaupt entstanden?

 

Hintergründige Bedeutung der Geschichte

Das ist kein normales Buch. Das wird recht schnell klar. Natürlich kann man es lesen und die vordergründige Geschichte genießen, das wäre aber nicht sehr befriedigend. Dazu sind die Geschehnisse zu leise. Hinter allem steckt ein doppelter Boden, alles ist eine Parabel für die damalige Zeit. Der begrabene Riese, die Insel, der Fährmann, das alles habe ich beim Lesen (bzw. Hören) recht schnell begriffen. Einige wenige Details sind im Unklaren geblieben, diese lassen sich dann aber nach dem Lesen bei Wikipedia klären (das würde nun aber spoilern).

 

Persönliche Meinung

Fantasy ist ja gar nicht mein Ding. Die bleibt hier aber dezent im Hintergrund. Die leise, langsame Handlung verlangt einiges an Geduld ab, obwohl es keine Plotholes gibt. Trotzdem, hier wird Geduld belohnt. Die Geschichte lohnt sich. Ist aber alles andere als eine, die man an einem Samstagnachmittag mal so weglesen kann. Mich hat das Hörbuch über circa zwei Wochen begleitet. Ich vermute, dass es mich im Kopf noch deutlich länger begleiten wird.

Wenn man sich die 1-Sterne-Rezensionen bei Amazon dazu anschaut, sieht man lauter verzweifelte Leser*innen, die mit dem Buch nichts anfangen können und sich fragen, was mit ihnen nicht stimmt. Vielleicht wäre hier eine Art "Warnung: Das ist eine Parabel" nicht verkehrt gewesen und vielleicht ein Nachwort, in dem ein bisschen analysiert wird.

 

Und ja. Von dem Autor könnte ich nach einer kleinen Pause mehr vertragen. Vielleicht "Was vom Tage übrig blieb" oder "Was wir geben mussten" (das ist ein wenig Science Fiction).

 

Über den Autor

Kazuo Ishiguro ist ein britischer Autor japanischer Herkunft.  Dies ist bereits sein siebter Roman und vor diesem hatte er zehn Jahre Pause. Für "der begrabene Riese" hat er drei Jahren den Nobelpreis für Literatur erhalten. Sein erster Roman, das 1989 erschienen "Was vom Tage übrigblieb" wird als einer der bedeutendsten britischen Romane bezeichnet.

 

Über den Sprecher

Wenn Heidenreich wörtliche Rede von Axl oder Beatrice liest, klingt er immer etwas naiv und übertrieben lieb. Das ist mir ein wenig zu viel Interpretation. Das wertet meiner Meinung nach zu sehr.

Ansonsten ist er ein sehr angenehmer Sprecher, dem ich mit Freude viele Stunden zugehört habe. 

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