Harte Fakten
Titel | Mädchen für alles |
Autor*in | Charlotte Roche |
Erscheinungsjahr | 2015 |
Seitenzahl | 240 |
Inhalt
Die Enttäuschung meines Lesejahrs 2019. Ich hatte zufällig gelesen, dass der Roman "regretting motherhood" thematisiert.
Super, dachte ich. Roche ist ja bekannt dafür, unbequeme Dinge offen auszusprechen und sich nicht darum zu scheren, was andere denken mögen. Ich dachte: In dem Roman finde ich sicher ein paar gute Gedanken.
Ihre vorherigen Romane Feuchtgebiete und Schoßgebete haben genügend solcher Stellen enthalten, weshalb das Lesen sich trotz der eher seltsamen Rahmenhandlungen für mich gelohnt hatte.
Bei "Mädchen für alles" hatte ich nun eine Ich-Erzählerin erwartet, die sich nach der Geburt des gemeinsamen Kindes als Mädchen für alles fühlt, völlig ausgebrannt ist, mit dem Muttersein hadert und sich womöglich sogar wünscht, das Kind gar nicht erst bekommen zu haben. Ich hatte mir unverblümte, ungezähmte Gedanken erhofft.
Was habe ich stattdessen bekommen?
Eine Ich-Erzählerin, die nach ein paar Buchseiten bereits eine Art Nanny/Haushälterin einstellt, eben ein Mädchen für alles. Währenddessen sie selber überall faulenzt und keinen Finger rührt, sich dann sexuell an die Angestellte heranmacht und später noch mit ihren Eltern abrechnet, weil diese nach langer Trennung seltsamerweise wieder zusammen sind.
Ich habe das Buch zu Ende gelesen, weil ich dachte, da käme noch was. Da kam auch noch eine völlig absurde Gewaltszene, die für mich überhaupt nicht nachvollziehbar war. Auch, wenn sich das alles nur im Kopf abgespielt hatte, bin ich über diese Szene und überhaupt das gesamte Buch nur ärgerlich.
Selbstverständlich hat meine Erwartungshaltung etwas damit zu tun. Ich dachte, ich würde ein komplett anderes Buch kaufen. Also, falls mal jemand ein Buch findet, dass tatsächlich die Themen beinhaltet, die ich eigentlich lesen wollte, sage sie oder er mir bitte Bescheid.
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Henrike (Montag, 28 September 2020 20:35)
Hallo Yvonne,
ich habe das Buch nicht gelesen und werde es nach deiner Beschreibung auch nicht mehr tun. Das Problem mit den enttäuschten Erwartungen kenne ich sehr gut - das ist einer der Gründe, weshalb ich mich zum Beispiel gehypten Büchern oft nur verspätet und mit Kneifzange nähere.
Welche Stellen sind dir denn in ihren anderen Büchern positiv aufgefallen bzw. was wird da ausgesagt?
Liebe Grüße
Henrike
Yvonne (Dienstag, 29 September 2020 08:34)
Moin,
also, es ist zu lange her, dass ich Feuchtgebiete gelesen habe. Ich fand es aber mindestens interessant und den Ton authentisch. Mir haben einige Begleiterscheinungen gefallen, dass in Frage gestellt wurde, ob Frauen sich rasieren müssen und dass auch Frauen am Po Haare haben.
Bei "Schoßgebete" hat mir alles um die traurige Abtreibung ganz gut gefallen.
Was aber für mich der Höhepunkt war, war die Verarbeitung des Unfalls ihrer Familie auf dem Weg zu ihrer Hochzeit nach England. Dieser Gedanke "Oh nein, mein Hochzeitskleid", weil das leichter zu verarbeiten war als der Tod all ihrer Brüder und der schlimme Verletzungszustand ihrer Mutter. Wie sie und ihr Verlobter dann ganz alleine im Hochzeitsbus gesessen haben, ganz hinten, wie die Coolen in der Schule.
Da waren einige Dinge sehr ehrlich und gut beobachtet. Das hat mich beeindruckt.
Daher hätte ich Roche durchaus zugetraut, eine Buch zu schreiben, dass das Thema "regretting motherhood" respektvoll und vielleicht auch schonungslos zu behandeln. Die wird ja auch älter und reifer. Hätte ich jedenfalls gehofft.
Mädchen für alles ist kompletter Käse und das Muttersein spielt nur in zwei Nebensätzen eine Rolle.
LG Yvonne