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Sexismus und Rassismus in der Serie "The Expanse"

Abstract

Rassimus und Sexismus sind allgegenwärtig ist unserem Alltag und auch in den meisten Romanen,Serien oder Filmen. "The Expanse" fällt mir hier sehr positiv auf: mit einigen vorsichtigen Einschränkungen.

 

Im folgenden Artikel geht es nur am Rande um den Inhalt der Serie (enthält also keine Spoiler), sondern um die Darstellung oder vielmehr die Nichtdarstellung von Sexismus und Rassismus.

Sexismus in "The Expanse

Ja, es gibt mehr Männer als Frauen in der Serie. Anfänglich gibt es sechs Hauptfiguren, von denen vier männlich und zwei weiblich sind. In Staffel 3 sind es dann schon vier Frauen und ebensoviele Männer.

 

Es ist auch richtig, dass man im Hintergrund sowohl bei den Soldat*innen und den Politiker*innen tendenziell mehr Männer sieht. Auch in dieser Welt sind wohl eher die Frauen zu Hause und betreuen den Nachwuchs oder haben andere, weniger prominente Aufgaben. Es ist nicht perfekt.

 

Es gibt aber einige Aspekte, die mir aus weiblicher, feministischer Sicht sehr positiv auffallen:

 

Die Frauen in der Serie stehen ebenso an der Front wie die Männer. Ab Staffel 2 wird sogar eine Frau eingeführt, die als Soldatin wesentlich taffer und auch (dank speziellem Raumanzug) genauso stark oder gar stärker als ein Mann dargestellt wird. Dennoch sind die Frauen einfach Frauen. Es werden nicht einfach männliche Eigenschaften in Frauen verpackt.

 

Die zweithöchste Politikerin der Welt ist eine Frau. Gut, der höchste ist ein Mann und ansonsten sitzen auch auffällig viele Männer am Tisch. Außerdem ist diese Politiker unsere Identifikationsfigur und eine der Hauptcharaktere der Serie, weshalb sie uns am meisten interessiert. Zumal sie deutlich pfiffiger und cleverer dargestellt wird als ihre männlichen Kollegen.

 

Was mir am stärksten aufgefallen ist:

Bis Staffel 3, Folge 6 gibt es keinen Mikro-Sexismus. Ihr wisst schon. Dieses subtile "Gib mal her, ich mach das", Mansplaining und/oder ins Wort fallen/widersprechen, was ich in meinem Alltag (und auch in Filmen/Serien/Prosa) oft beobachte. Die Frauen und Männer begegnen sich hier auf Augenhöhe und haben ihre Skills, die jeweils respektiert werden.

Das Fehlen dieses Mikro-Sexismus habe ich so genossen, dass mir sehr negativ aufgefallen ist, wie sich das in Folge 7 in Staffel 3 plötzlich ändert.

 

Einmal gibt es eine Szene, in der eine neue Kollegin in einem Team angesprochen wird mit "He, Frischfleisch, wäre der etwas für dich?" und ihr wird ein Bild von einem Mann hingehalten. Sie reagiert nicht etwa mit "Das ist unhöflich/Tut nichts zur Sache/ hättest du das zu Jason Momoa auch gesagt?", sondern zwar durchaus schlagfertig, deckt aber den Sexismus nicht auf, entlarvt ihn nicht und lässt ihn so stehen.

In der gleichen Folge gibt es eine Szene, in der ein Mann einer Frau, die Kapitänin eines Schiffes ist, bei einer öffentlichen Rede ins Wort fällt und die Rede für sie zu Ende hält. Unabgesprochen. Anstatt dass sie ihn widerum zurechtweist und das Wort wieder an sich nimmt, lässt sie sich das gefallen und schweigt.

 

Beides extrem frustrierende Szenen und ich frage mich: Habe ich nun verloren? Muss ich mir jetzt auch bei "The Expanse" solche Szenen anschauen?

Ein Mann, mit dem ich darüber sprach, sagte dazu: Das heißt doch aber nicht, dass die Serie sexistisch ist, das heißt nur, dass sie die Menschen so zeigt, wie sie sind, gegegebenenfalls eben sexistisch.

Ja, und?

Sie haben es doch zweieinhalb Staffeln lang geschafft, eben genau das nicht zu zeigen und hatte trotzdem tolle, glaubwürdige Charaktere und hat zudem eine Welt gezeigt, in der ich (zumindest diesbezüglich) irre gern leben würde.

Rassismus in "The Expanse"

Ja, ich wurde darauf hingewiesen, dass es zwischen den drei großen Gruppen dieser Welt: Erdlinge, Marsianer*innen und Gürtler*innen ja durchaus Rassismus gäbe. Oder zumindest: Die einen halten sich für besser als die anderen. Das stimmt auch. Die Inneren (Mars und Erde) blicken auf die Gürtler*innen herab. Mars hält sich für besser als Erde und Erde sich für besser als Mars. Gürtler*innen versuchen, klarzukommen und gleichzuziehen, sind aber ressourcenmäßig immer etwas benachteiligt.

 

In der Serie merken sie auch, wer von woher kommt. Das scheint aber eher keine Rassenfrage zu sein, sondern eher eine Herkunftsfrage. Auch nicht so schön, aber insofern für uns Zuschauer*innen angenehm, weil wir hier ja komplett außen vor und objektiv sind. Es gibt ja keinen Mars und keinen Gürtel für uns. So fällt es uns leicht, solche Vorurteile als solche zu entlarven, weil sie für uns frisch und fremd sind. Anders als "unser" (also der hier auf unserem Planeten) Rassismus, vor allem Mikro-Rassismus, der so sehr Teil unserer Welt ist, dass man sich in Film schon sehr anstrengen muss, um das gut aufzuzeigen und die Perspektive mal umzudrehen (extrem gut gelungen übrigens in "Get out").

 

Außerdem sind die Hauptpersonen gut verteilt aus allen drei Gebieten, sowohl Erde, als auch Mars und dem Gürtel, die vier aus dem Team, das den Kern der Serie bildet, sind divers aufteilt, zweimal Erde, einmal Mars und einmal Gürtel - und sie arbeiten trotzdem vorurteilsfrei zusammen. Vorurteile werden ebenfalls gezeigt, eher ab Staffel 2, aber die werden eben auch oft aufgedeckt und als solche erkannt, teilweise sogar von den Menschen, die vorher nach ihnen gelebt haben.

 

Den kontemporären Rassismus, mit dem wir in dieser Welt hier bei uns zu tun haben, gibt es aber nicht. Jedenfalls kann ich ihn nicht sehen. Menschen sind einfach Schwarz, asiatischer, arabischer oder südamerikanischer Herkunft, ohne dass es jemals eine Rolle spielt.

 

Da es eben in der Serie keine Rolle spielt, muss ich schon nachschlagen, woher die Darsteller*innen kommen, um die Vielfalt der Serienbesatzung zu zeigen.

 

Die Darstellerin Dominique Tipper der Hauptfigur Naomi ist Schwarze Britin.

Die Darstellerin Shoreh Aghdashloo der Hauptfigur Chrisjen Avasarala ist aus dem Iran.

Die Darstellerin Frankie Adams der Hauptfigur Bobbie ist samoanisch-neuseeländisch.

Der Darsteller Francois Chau der Nebenfigur Mao ist aus Kambodscha.

Der Darsteller Chad Coleman der Nebenfigur Coleman ist Schwarz.

Der Darsteller Martin Roach der wichtigen Nebenfigur Souther ist Schwarz.

Der Darsteller Terry Chen der Nebenfigur Meng ist ein Kanadier chinesischer und taiwanesischer Abstammung.

 

Darüber hinaus gibt es etliche kleinere Rollen, die divers besetzt sind, die ein sehr buntes Bild zeigen. Anders als z. B. in der Science Fiction 2020 von Askin-Hayat Dogan bemängelt, werden muslimische Figuren (oder zumindest muslimisch lesbare Figuren) nicht unsichtbar gemacht. Er hat The Expanse in seinem Artikel sogar positiv erwähnt, aufgrund der Figur der Chrisjen Avasarala.

 

Dass ich es nicht sehen kann, heißt aber (leider) noch lange nicht, dass es keinen (Mikro-)Rassismus in der Serie gibt. So wie der Mann, mit dem ich gesprochen habe, keinerlei Sexismus bemerkt hat - weder den fehlenden noch die Szenen, in denen dann plötzlich welcher auftauchte, habe ich als weiße Frau ganz sicher einen blinden Fleck bei Rassismus und kann selbstverständlich Dinge übersehen haben.

 

Selbst bei Sexismus, obwohl ich hier als Betroffene sicher sensibler bin, ist es möglich, dass ich Alltagssexismus nicht erkennen kann, weil er eben genau das ist: absolut alltäglich!

Änderungen in Folge 7 und 8 der dritten Staffel

Weiter oben hat ich ja schon beschrieben, dass mir in Folge 7 der dritten Staffel zum ersten Mal Mikro-Sexismus aufgefallen ist.

 

In Folge 8 kam davon glücklicherweise nichts, dafür kam das "N-Wort". Echt jetzt? Science Fiction in ferner Zukunft und wir haben das N-Wort immer noch? Was für eine fiese Scheiße soll das denn sein?

 

Ich dachte, es hätte sich vielleicht bei den Drehbuchautor*innen etwas geändert, aber es sind nach wie vor Mark Fergus und Hawk Ostby. Vielleicht ist das ja nur eine vorübergehende Talsohle.

 

Ich grabe etwas tiefer, so wird mir bei der IMDB bis Folge 6 der dritten Staffel noch Alan DiFiore angezeigt, ab Folge 7 dann Naren Shankar. Ich fände es aber vorschnell, daraus Schlüsse zu ziehen, zumal womöglich mehrmals Drebuchautor*innen gewechselt haben könnten oder sich abgewechselt haben könnten - alle Folgen durchzugehen wäre mir nun doch an dieser Stelle zu mühsam.

Ein paar Worte zu Diversität

In Staffel 3 taucht ein blinder Mann auf. Dieser wird so dargestellt, wie Judith C. Vogt und Lena Richter es sich in ihrem Artikel "Perfekte Körper, unperfekte Welten" in der Science Fiction 2019 wünschen: Er ist und bleibt blind und wird nicht durch eine wundersame, in der Zukunft mögliche Operation, die vor dem Einsetzen der Handlung durchgeführt wurde, wieder sehend. Behinderung ist hier nicht unsichtbar. Ganz so, wie sie in dem Artikel formulieren, hat er aber Hilfsmittel. Hier nutzt er einerseits seinen anderen Sinne, wie den Tastsinn und den Gehörsinn, und auch technische Hilfsmittel, die ihm den fehlenden Sinn ausgleichen. Das ist ziemlich cool dargestellt. Denke ich jedenfalls als sehener Mensch, mich würde interessieren, wie Blinde das empfinden.

 

Außerdem wird er als bisexuell oder homosexuell dargestellt. Da bin ich aber unsicher, ob ich das positiv sehen soll, da die Figur zumindest in Folgen 7 und 8 der dritten Staffel auch ein wenig gruselig ist und das nicht unbedingt eine positive Dargestellung ist. Wobei die Gruseligkeit mit seiner Homo- oder Bisexualität nicht zusammenhängt.

 

Die Familie des Protagonisten James Holden ist außerdem polyamor, was immerhin am Rande mal dargestellt und auch mehrmals erwähnt wird, auch wenn diese natürlich Figuren sehr am Rande bleiben und man (bisher) nur seine Mutter gesehen hat.

 

Außerdem taucht in Staffel 3 eine Frau in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung auf, ihre Partnerin ist Schwarz. Ansonsten sind diverse, queere Charaktere in der Serie eher unsichtbar, allerdings ist längst nicht von allen die Sexualität bekannt.

Abweichungen Roman und Serie

Bisher habe ich die Bücher nicht gelesen. Nadine von WörteraufReise hat sie gelesen und mich ein wenig eingeweiht. So gibt es im Buch mehr Sexismus und außerdem weniger starke Frauenfiguren. Für die Serie wurden einige sexistische Stellen weggelassen (möchte jetzt ungern inhaltlich spoilern, auch wenn es kein sehr großer Spoiler wäre) und einmal wurden in der Serie wichtige Handlungsstränge eines Mannes aus dem Buch  stattdessen einer weiblichen Figur zugeordnet.

 

Liest man das Buch im Original, fällt außerdem auf, dass die Gürtler*innen letztendlich von überallher und nirgends kommen. Die Kulturen haben sich gemischt, gerade diese Mischung ist ein Kennzeichen des Gürtels.

 

Im Buch hat man außerdem den Eindruck, dass Bobbie asexuell ist, da nie eine romantische Regung in ihr gezeigt wird. Das wird aber nicht explizit benannt (muss ja auch nicht) und bleibt der Interpretation der Leser*innen überlassen.

Abschließende Gedanken

Ich habe sicher einiges übersehen, vergessen oder gar missinterpretiert. Für (nicht spoilernde) Hinweise und andere Sichtweisen bin ich jederzeit dankbar.

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