Harte Fakten
Titel | Blade Runner oder Träumen Androiden von elektrischen Schafen? |
Autor | Philip K. Dick |
Erscheinungsjahr | 1968 |
Laufzeit | 7 Std. 46 |
Sprecher | Torben Kessler |
Inhalt
Es geht gleich ziemlich cool los. Rick Deckard und seine Frau werden geweckt und spielen gleich mit der Stimmungsmaschine herum. Ich erfahre recht bald, dass man seine Stimmungen einstellen kann und was hier mögliche Vor- und Nachteile dabei sind. Außerdem erfahre ich, dass Rick Deckard Kopfgeldjäger für Androiden ist und für die Polizei arbeitet.
Schon maximal unterhalten, lerne ich dann im nächsten Kapitel J. F. Isidor kennen, der sich selber als "Spatzenhirn" oder "Speziellen" bezeichnet. Er ist durch eine Art Staub (Nachwirkungen eines Atomkriegs) in Mitleidenschaft gezogen worden. Beim letzten Test hat er den Intelligenztest nicht bestanden und steht nun ganz unten auf der Leiter. Darf nicht von der Erde auswandern und hat schlechte Jobaussichten. Seit dem Krieg sind viele Erdbewohner*innen zum Mars ausgewandert. Man merkt den Kapitel aus seiner Sicht auch an, dass er - ganz im Gegenseil zu Deckard - keinen sehr guten Überblick hat und auch offensichtliche Dinge nicht bemerkt. Dennoch ist es so genial geschrieben, dass wir Leser*innen es schon merken, wenn auch nicht alles. Isidor hat übrigens auch einen Job: Er arbeitet als Fahrer für einen "Tierarzt", der für androidische Tiere zuständig ist.
Wir lernen, dass Deckard mit einem neuartigen Gerät arbeitet, dem Void-Kampfftest. Es erinnert an einen Lügendetektor und soll Androiden aufgrund fehlender Empathie, zum Beispiel für Tiere oder Babys, enttarnen. Obwohl ich ständig auf der Hut bin und quasi immer damit rechne, dass sich jemand oder etwas unvermutet als Android herausstellt, werde ich doch mehrmals gekonnt in die Irre geführt. Rick Deckard arbeitet als Kopfgeldjäger. Er schaltet Androiden aus. Von seinem Arbeitgeber erhält er genaue Aufträge, wer in Verdacht steht ein Androide zu sein und wenn er ihn (es) erledigt, erhält er 1000 Dollar Prämie. Da sein Gehalt recht niedrig gehalten wird, ist sein Job nur attraktiv, wenn er viele Prämien einheimst. Rick hat ein klares Motiv, die Prämie einzusacken: Sein echtes Schaf ist vor einer Weile gestorben. Um dies zu vertuschen, haben seine Frau und er sich ein elektrisches Schaf gekauft. Dies sieht aus wie ein echtes und man muss sich auch gleichermaßen darum kümmern. Sie wünschen sich aber innig ein echtes Tier. Jene sind aber unverhältnismäßig teuer. Wie teuer genau wird nie beziffert, aber so teuer, dass einige tausende Dollar lediglich als Anzahlung fungieren können, die Kreditverträge laufen locker über drei bis vier Jahre.
Gleich zu Beginn des Romans wird er befördert, da derjenige, der vorher den Job hatte, die neuartigen Androiden auszuschalten, von einem mit einer Laserpistole erwischt worden ist und im Krankenhaus liegt. Rick erhält gleich sechs Steckbriefe - und soll am besten alle noch am selben Tag erledigen, bevor sie gewarnt sind und die Stadt verlassen.
Androiden sind nicht einfach so "per se" verhasst. Jene Androiden sind aber vom Mars geflohen, illegal, und haben hierfür ihre jeweiligen Besitzer*innen abgemurkst. Sie sind also nicht ganz unschuldig. Allerdings wird auch angedeutet, dass Lebensumstände und Lebensperspektive für Androiden auf dem Mars sehr unattraktiv sind.
Außerdem spielt eine spezielle Religion eine Rolle, das Mercertum. Hier geht es um Empathie, das Thema Empathie zieht sich sowieso als Leitmotiv durch den gesamten Roman. Besonders Ricks Frau, und auch Isidor, besitzen einen "Empathor", der es ermöglicht, mit der heiligen Figur Mercer oder/und auch mit anderen Lebeweisen Gefühle zu teilen. So kann man Freude, aber auch Leid teilen.
In der deutschen Übersetzung ist "finster" eines der Lieblingsworte von Dick. Man schaut gern mal finster oder sagt etwas in düsterem Ton.
Der Roman ist zu Recht ein SF-Klassiker. Keine Plotholes. Es ist die ganze Zeit über spannend. Alle Figuren und Nebenfiguren atmen und leben, selbst die Androiden. Die Dialoge sind klasse. Es ist so mitreißend, dass ich selber Lust bekomme ein Schaf oder eine Ziege zu kaufen und dass ich unseren Kater mehr geknuddelt habe als normalerweise.
Die Stelle, in der eine Androidin eine Spinne quält ist schwer zu ertragen. Ich empfinde Empathie für eine Spinne. Das Buch hat es echt in sich.
Verfilmung mit Harrison Ford
(Enthält Spoiler)
Director's Cut von 2014, diese Version enthält keine Voice-Over und endet mit Rachael und Deckard im Fahrstuhl.
Ich kannte den Film vorher nicht und habe ihn erst geschaut, als ich das Buch zu Ende gelesen hatte.
Die Verfilmung ist, hüstel, recht frei. Rick Deckard, gespielt von einem fast unwirklich jungen Harrison Ford, ist nicht verheiratet.
Warum nicht? Weil man ihm sonst die romantischen Gefühle für eine Androidin übel nehmen würde? Oder weil ein Single-Rick-Deckard für das weibliche Publikum attraktiver ist? Aus Zeitgründen?
Jedenfalls fehlt seine Frau und somit auch sein Antrieb, das Kopfgeld einzustreichen, um für sich und seine Frau ein echtes Tier kaufen zu können. Seine Hauptmotivation ist also eine völlig andere.
Im Buch zerfallen die Androiden nach vier Jahren, weil man das Problem des Zellzerfalls nicht lösen konnte. Im Film entwickeln die Androiden (hier heißen sie Replikanten) nach etwa vier Jahren ein eigenes empathisches Bewusstsein, weshalb man sie so herstellt, dass ihre Lebensdauert vier Jahre nicht übersteigt. Das finde ich als Idee eigentlich sogar interessanter.
Der Film ist sehr dunkel, vom Visuellen her. Teilweise habe ich das Gefühl: "Man sieht nichts, macht doch mal jemand Licht an." Auch wenn das atmosphärisch schon nett und passend ist, ist es auch etwas anstrengend.
Der weißblonde Androide Batty hat weit mehr Text als Deckard, so kommt es mir jedenfalls vor. Der Androide hat aber auch mehr zu sagen.
Der Film nimmt sich sehr viel Zeit. Hätte man ihn vorgestern und nicht vor fast vierzig Jahren gedreht, hätte er sich diese Zeit wahrscheinlich nicht genommen. Ich fand es etwas langatmig, wie viele ältere Filme. Es gab ein paar schöne Ideen im Film, die es im Buch nicht gab. Wie zum Beispiel die Spielzeuge des J. F. Sebastian (im Buch: J. F. Isidor) und die Szene, in der sich die Androidin gespielt von Daryl Hannah in diesen Spielzeugen versteckt und so tut, als sei sie eine Schaufensterpuppe. Warum Deckard sie allerdings fast sofort entdeckt, hat sich mir nicht erschlossen.
Der Showdown zwischen Batty und Deckard hat was. Der Regen und die ganze Kulisse sind genial.
Insgesamt hat der Film eine komplett andere Aussage als das Buch, vor allem weil die Komponente der Tiere fast gänzlich fehlt. Es wird zwar angedeutet, dass echte Tiere teurer sind als künstliche - so wie zum Beispiel während des Dialogs über die Schlange in der Garderobe der Schlangentänzerin. Dass die Eule in einer der Anfangsszenen künstlich ist, wird sofort zugegeben. Deckard äußert nie das Verlangen, ein echtes Tier zu besitzen. Er scheint überhaupt in die Rückkehr der Kopfgeldjagd hinein erpresst zu werden. Außerdem fehlt die Komponente des Mercerturms, auch der Empathor und die Stimmungsorgel spielen keinerlei Rolle. Lediglich der Void-Kampfftest hat eine ähnliche Rolle wie im Buch.
Sehr schade, weil die spannendste Stelle im Buch: Es kommt nicht dazu, dass Rick Deckard von einer alternativen Polizeistelle verhaftet wird, die nichts von ihm und seiner Abteilung weiß, in der Androiden am Hebel sitzen. Während jener Passagen hatte ich im Buch wirklich gerätselt, ob gar Deckard selber ein Androide sein könnte.
Insgesamt ist der Film eine schöne Ergänzung zum Buch, sofern man akzeptiert, dass es eben eine Geschichte ist, die sich eher lose am Buch orientiert. Natürlich kann der Film auch für sich alleine stehen. Ich vermute, dass der Film sowieso deutlich bekannter ist als das Buch. Jedenfalls habe ich Regen und Wasser selten so gut in Szene gesetzt gesehen wie in diesem Buch. Es regnet ja sogar in dem alten Gebäude, das fast verlassen ist und in dem nur J. F. Sebastian wohnt.
Insgesamt ist die Kulisse sehr beeindruckend und überzeugend.
Trivia
Rutger Hauer ist 2019 verstorben. Ich habe einen coolen Nachruf gelesen, ich glaube in der phantastisch!, in dem nochmal seine unvergessene Rolle als Batty thematisiert wurde und die Szene, in der er im Regen stirbt. Und ja: Das ist eine der besten Szenen der Filmgeschichte.
Witzig: Der Film spielt 2019. 1982 dachte man wohl, man hätte heutzutage fliegende Autos und Replikanten, die kaum vom Menschen zu unterscheiden sind. Allerdings hat niemand Handys, nur Autotelefone. Flachbildschirme gibt es auch nicht. Jedoch gibt es Alexa-ähnliche Rechner, Deckard gibt mündlich Befehle an seinen Computer, der diese dann auf einem Monitor ausführt, der absolut in die Achtziger gehört. Herrlich!
Auf einem Gebäude steht "Bradbury" - eine Homage an Ray Bradbury? Wohl eher Zufall. Das Bradbury Gebäude diente als Drehort für das Haus, in dem J. F. Sebastian wohnt.
Es lohnt sich, den wikipedia Artikel zum Film zu lesen - der Film ist dort sehr genau analysiert, das kann ich im Rahmen einer Rezension gar nicht leisten.
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