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Alan, der Glückspilz von Jonathan Lethem

Harte Fakten

Titel Alan, der Glückspilz
Autor*in Jonathan Lethem
Erscheinungsjahr 2019
Seitenzahl 172
Anzahl Geschichten 9

Inhalt

Fazit für Eilige

In der Rezension der phantastisch! schrieb der Rezensent, er sei nicht sicher, ob diese Kurzgeschichtensammlung als Erstkontakt zu Lethem tauge. Ich hingegen lese ja zu gern zunächst Kurzgeschichten eine*r Autor*in.

Einige der Kurzgeschichten sind entweder aufgrund der Sprache, aufgrund der Handlung oder der Figuren sehr schwer nachzuvollziehen. Wenn ich meinen Horizont erweitern wollte, ist dies jedenfalls gelungen.

 

Obwohl einige der Stories schwer zugänglich für mich waren, muss ich doch sagen, dass ich begeistert bin. Vor allem "das leere Zimmer" ist genial. Bei meiner Recherche bin ich noch auf eine interessante Rezi vom NDR gestoßen. Es sei auch noch erwähnt,dass der Roman Motherless Brooklyn 2019 recht hochkarätig besetzt verfilmt worden ist. Die Kurzgeschichten haben mich auch ausreichend davon überzeugt, mir nur kurze Zeit nach Genuß der Anthologie den Roman Motherless Brooklyn reinzuziehen, der mir sogar besser gefällt als seine Kurzgeschichten. Und "the Fortress of Solitude" wartet schon auf dem Tolino auf mich.

 

Alan, der Glückspilz

Manhattan. Entegen dem Klischee kennt man sich in der Nachbarschaft. Ich-Erzähler Grahame kennt Blondy, er hat sich als Schauspieler mal bei ihm, dem Regisseur beworben und sieht ihn ständig im Kino. Plötzlich sieht er ihn monatelang nicht, sucht ihn, findet ihn. Blondy erklärt ihm, er sei umgezogen. Warum? Und so kommt die Geschichte mit Alan Zwelish ans Licht, eine seltsame Halbfreundschaft mit mindestens zwei Pointen, nachdem ich mich schon frage, was das eigentlich alles soll. Sehr fein. Erinnert ein wenig an T. C. Boyle, den ich ja auch kürzlich gelesen habe.

 

Der König der Sätze

Ja, hier wird es schon seltsamer. Die beiden Protagonist*innen sind ein Paar und haben einen Buchladen. Sie stehen total auf gute Sätze, bekommen anhand toller Sätze sogar Orgasmen (seine Idee, nicht meine). Noch absurder wird es, als sie den ihrer Meinung nach "König der Sätze" aufstöbern und ihn aufsuchen. Dieser scheint allerdings vom Inhalt her eher zweifelhafte Prosa zu verfassen, was aber nicht näher beleuchtet wird. Die Abschlussszene in einer Hotellobby mag mir nicht recht einleuchten.

 

Reisender zu Hause

Nach drei Seiten musste ich abbrechen und von vorn anfangen, so gewöhnungsbedürftig ist der Stil. Dann war ich aber froh, dass ich mich durch die ersten Seiten durchgebissen hatte. Es wurde dann erstens etwas besser und zweitens doch recht interessant, beinahe phantastisch, auch wenn die Phantastik-Komponente eher angedeutet blieb.

Der Protagonist bekommt von sieben Wölfen ein Baby überreicht. Das nimmt er, und behält es die Nacht über bei sich, da er aufgrund des Schneetreibens nicht weg kann. Er hat etwas Brie (sic) und Milch daheim und füttert es damit. Es ist offenbar alt genug, um das zu vertragen.

Als er es am nächsten Tag in die Stadt bringen will, wird er von sieben Frauen angehalten, die das Baby suchen.

Nun, sieben Wölfe, sieben Frauen. Auch der Protagonist denkt darüber nach. Aufgelöst wird aber nichts.

 

Verfahren unter freiem Himmel

Ein ganz normaler Typ (oder jedenfalls halbswegs normal) gerät in eine sehr seltsame Situation und muss auf einen Mann aufpassen, der in einem Loch in der Straße eingesperrt wird. Dann begegnet ihm seine Ex. Wahrscheinlich habe ich die Tragweite der Story nicht ganz begriffen, ich war aber schon froh, dass im Gegensatz für vorherigen Story Personalpronomen, Artikel etc. benutzt wurden.

 

Die Schattenseiten

Erst werden die ersten Panels eines Comics beschrieben. Ein Flugzeug stürzt ab. Die Insel ist offenbar unbewohnt. Eine Familie und einige wirklich seltsame Gestalten. Der Normalste scheint noch der Theaterkritiker zu sein. Es gibt auch einen Clown, einen Jäger, einen Hasen, ein Monster, einen Typen ohne Arme und eine Art König, der aber nicht weiter bedeutsam und auch nicht unbedingt menschlich ist.

Die meisten beginnen sich schon nach wenigen Tagen seltsam zu verhalten, laufen nackt herum oder hören auf sich zu waschen. LOST mal in total skurril.

Tröstenderweise kann ich sagen: Das hat einen Sinn. Glaube ich jedenfalls. Es hat einen klaren, unter den Umständen verständlichen Schluss. Man muss ein wenig um die Ecke denken und im Kopf behalten, dass das hier irgendwie ein Comic sein soll, dann ist es innerhalb des Universums, in dem die Story spielt, nachvollziehbar (auch wenn ich deutlich merke, wie mein Hirn sich in bisher nicht genutzte Winkel dehnen muss).

 

Der Porno-Kritiker

Stelle ich mir anstregend vor, Pornos zu rezensieren. Offenbar sind die unterschiedlich genug, dass man etwas schreiben kann, auch ohne sich gleich das gesamte Werk anzuschauen.

Sehr viel mehr über Pornos lernt man nicht, was auch ok ist.

Der Protagonist hat in seinem Appartment lauter VHS-Pornos, da er diese für den Newsletter seines Arbeitgebers, eines Erotikshops, rezensieren muss. Er steht auf eine Frau, bekommt aber später eine andere. Kurz überlegt er, ob es Prostitution sei, wenn er sie bittet, vorher etwas zu essen zu bestellen. Das klingt hart, aber ich habe tatsächlich den Eindruck, er schläft nur mit ihr, weil sie ihm gutes Essen in Aussicht stellt.

Der Stil von Lethem ist bemerkenswert vielseitig. Ich glaube nicht, dass ich ihn wiedererkennen würde, so wandelbar scheint er zu sein.

 

Das leere Zimmer

Das ist cool. Ein leeres Zimmer im Haus. Ich meine nicht einfach ein leeres Zimmer, das hatten wir auch, eine Art Rumpelkammer, sondern tatsächlich ein Zimmer, in dem man nichts abstellt, das immer leer bleibt. Man darf etwas mit hineinnehmen, wenn man hinausgeht, muss man es aber wieder mit hinausnehmen.

Vom Stil her etwas "normaler" als die meisten anderen Stories in diesem Band. Meiner Meinung nach auch die beste. Da steckt so viel drin. Da werde ich beim Wiederlesen neue Dinge entdecken.

Außerdem bemerkenswert, wie gut sich Lethem in Spät-Teenager hineinversetzen kann. Das liest sich so authentisch, als würde ich daneben sitzen und sie beobachten.

 

Die träumende Ja, das speichelnde Ohr

Falls jemand den Film Memento kennt, das hier erinnert mich daran. Es wird in der umgekehrten Reihenfolge erzählt. Das heißt aber meines Erachtens hier nicht, dass dem Protagonisten das Gedächtnis verletzt wurde. Ich hatte ein paar Probleme mit dem Begriff "Blog"; weil ich das nicht unbedingt als Hütte am Strand verstanden hatte. Vielleicht seltsam übersetzt. Die Story ist fast ein wenig gruselig. Ja, sie ist gruselig.

 

Veganer in der Schwebe

Veganer in der Schwebe ist mit seiner Familie bei Sea World. Er hat Dokus gesehen und weiß, dass er eigentlich Veganer sein möchte, ist aber noch nicht so weit, daher in der Schwebe.

Während seine Frau mit den Zwillingstöchtern schwanger war, hatten sie einen Hund. Dieser wurde jedoch zu fürsorglich und ließ nicht einmal ihn mehr an die Frau heran. Er brachte ihn wieder ins Tierheim.

Bei Sea World meint er, ihn wiederzusehen.

Gut nachvollziehbare, wenn auch leicht verrückte Story. Immerhin musste der Protagonist auch lange echt heftige Medikamente nehmen, die er gerade erst abgesetzt hat.

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