Harte Fakten
Titel | Heiße Sommer und Urlaubslieben |
Herausgeber*in | Textgemeinschaft.de |
Erscheinungsjahr | 2020 |
Anzahl Geschichten | 10 |
Inhalt
Fazit für Eilige
Diese Rezi umfasst den zweiten Band der drei Bände zu dieser Ausschreibung.
Ein bisschen ruft das Thema ja danach, die alten tatsächlich erlebten Urlaubslieben herauszukramen. Ich glaube, nur eine der zehn Geschichten war autobiografis.
Es ist auch nicht so, dass es zehn typische Urlaubslieben sind, da sind schon auch mal links und rechts daneben schöne Abweichungen dabei, was ich beim Lesen sehr begrüßt habe.
Eisgenuss mit Benoit (von Jana Prokop)
Die Geschichte ist nummeriert und hinter jeder Zahl verbirgt sich ein neuer Aspekt. So kann ich mir das Gesamtbild Stück für Stück zusammensetzen. Was hat es mit Benoit auf sich? Was hat es mit der Eisgenuss-Metapher auf sich? Wieso ist es bittersüß?
Eine Geschichte aus den Zeiten der Dating-Apps und der Unverbindlichkeit. Was längst nicht heißt, dass wir weniger innig lieben als früher, als man sich früh und nachhaltig band. Oder dass wir weniger leiden, wenn jemand weiterziehen möchte.
Am Fuße des Ätna (von Mona Ullrich)
Das ist genau die Art Story, die erstens zu dem Thema und zweitens auch perfekt in die Länge der Stories dieser Anthologie passt. Außerdem hat da jemand ziemlich gut die Protagonistin Heike beobachtet und entlarvt. Gefällt mir gut, sehr authentisch.
Noch besser hätte es mir gefallen, wenn bereits das erste Drittel eher szenisch erzählt worden wäre. Dass sie in den Flitterwochen ist, ihr Mann krank und sie vorher zehn Jahre zusammen waren, das und was sie bereits an ihm stört, das hätte man auch in Dialogszenen o. ä. packen können, anstatt einfach nur zusammenzufassen. Es liest sich zwar so auch flüssig, aber eben weniger spannend.
Szenisch wird es dann erst, als Heike den Urlaubsflirt im Café trifft.
Ich dich auch (von Karen Wright)
Der Anfang der Story ist sehr gelungen. Ein schlecht gelaunter Ehemann, viel Streit, der Versuch der Frau, das mit einem gemeinsamen Urlaub wieder ins Lot zu bringen. Er willigt ein und los geht's.
Der Zufall wird ein wenig strapaziert, als die beiden auf einen abgelegten Freund von ihr treffen (bevor sie ihren Mann traf) und dessen Ehefrau. Zufall in der Literatur ist ok, ich bin ja Fan von Paul Auster, dem Zeremonienmeister des Zufalls.
Es bleibt szenisch, es gibt viel Dialog, aber so richtig nahe möchten mir die Figuren nicht kommen. Auch der Plot wirkt so, als hätte man da etwas straffen können.
Sechs Buchstaben (von Anna-Lena Brandt)
Das sechste Mal hintereinander ist die Protagonistin Lisa mit ihrem Urlaubsliebhaber Adrian im gleichen Hotel verabredet. Doch er verspätet sich. Sie lernt Yasmin kennen, die neu und frisch ist und bei der das Lächeln echter ist.
Dann gibt es tatsächlich einen echten Konflikt.
Abgesehen mal davon, dass mir persönlich ganz zu Beginn und ganz am Ende zuviel Reflektion drin war, hat mir der Plot sehr gut gefallen.
Honigmelone II (von Isabelle August)
Entweder ist das autobiografisch und die Autorin wollte genau an der Wahrheit bleiben oder ich würde sagen, sie hätte das auch etwas straffen und spannen können. Ich habe das mit Interesse gelesen, weil es sich so schön echt anfühlte und ich genau nachvollziehen konnte wie es ihr ging, zu jedem Zeitpunkt. Da gibt es genügend Anknüpfungspunkte in meiner eigenen Biografie.
Urlaubsliebe (von Melanie Drümper)
Zu einer Ausschreibung zu "Heiße Sommer und Urlaubslieben" eine Story namens Urlaubsliebe einzusenden ist schon ein wenig frech. Zum Glück ist diese hier ja die einzige, die so heißt. Der Plot ist dann deutlich origineller: Sebastian (jung, wohnt noch bei den Eltern) rettet Hannah aus den Fluten der Ostsee, sie verlieben sich, beginnen etwas, dann ist der Urlaub vorbei und der Liebeskummer groß. Die überraschende Wendung kommt erst, als der Urlaub vorbei ist. Der spätpubertierende Protagonist, der kaum aus dem Bett kommt wurde sehr lebensecht dargestellt.
1500 Kilometer Lebensfreude (von Kristin Fieseler)
Schade, dass nicht mehr Platz war. Die ersten Seiten um Lukas im Supermarkt mit Mundschutz im April 2020 und wie er die ältere Dame Ilona kennenlernt sind so schön spritzig und szenisch. Als er dann ab September (die Story spielt leicht in der Zukunft, was ich sehr witzig finde) mit ihr auf Radreisen geht, musste hier ein wenig narrativ zusammengefasst werden, um die Tour bis zu ihrem gelungenen Ende zu beschreiben. Wäre mehr Platz gewesen und alles hätte szenisch ausgeschmückt werden können, das hätte mir sogar noch besser gefallen.
Gerade weil zwischen Lukas und Ilona keine klassische romantische Liebe, sondern eine besondere Freunschaft wächst, sticht diese Geschichte sehr positiv heraus.
Der Talisman. Oder: Einer Mutter sagt man die Wahrheit (von Michael Bauer)
Ich mag den Begriff "Halbfreund", der hier eingeführt wird. Sehr aussagekräftig. Da ich mir vormals viel über narratives Zusammenfassen beklagte, hier kann ich das nicht: Viel Dialog, es werden alle Sinne angesprochen. Am Ende wird ein Kreis geschlossen.
Der Klang dieser Stadt (von Lisa Bichler)
Mir hat dieses Hingezogen-Fühlen nach Spanien sehr gefallen. Außerdem ist hier der männliche Protagonist nicht der typische "Love-Interest", den wir alle schon nicht mehr sehen können, sondern ein ganz überraschender komplexer Charakter.
Die Prinzessin und der Cowboy (von Eberhard Leucht)
Die Protagonistin hat schon ganz nette Macken. Wie sie da ihre Freundin ausnutzt, fällt ihr irgendwie selber nicht auf, was sie aber nicht per se unsympathisch macht. Gelegentlich merkt sie auch, wenn sie sich selber daneben benimmt. Ein paar Dinge sind klassisch - Auto kaputt, Ersatzteil muss erst bestellt werden, ein zunächst wenig beachteter Charakter entwickelt sich zum Love-Interest, andere sind neu und frisch. Gute Mischung.
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