Harte Fakten
Titel | Other people |
Autor | Sol Stein |
Erscheinungsjahr | 1981 |
Seitenzahl | 362 |
Dauer Hörbuch | 10 Std. 27 Minuten |
Sprecherin | Marguerite Gavin |
Inhalt: Ein Rape-Case und eine Love-Story
Ein Vater unterwegs zum besten Anwalt des County: George Thomassy. Dieser kam als Nebenfigur auch bei "The Magician" vor. Seine Tochter Francine ist vergewaltigt worden. Von einem Nachbar, der über ihr wohnt, mit schwangerer Frau und zwei Kindern.
Thomassy soll helfen, dass der Fall vor Gericht kommt und dort auch Erfolg hat. Bei Vergewaltigungsfällen ist das schwierig - auch wenn zum damaligen Zeitpunkt schon einige Hürden vom Gesetz genommen worden waren, z. B. war es nicht mehr erlaubt die Frau zu ihren Sexleben zu befragen. Ohne Beweise kommt so ein Verfahren allerdings meist nicht einmal vor Gericht.
Thomassy zögert daher lang, bis er den Fall annimmt. Francine muss hier sehr hartnäckig und entschlossen sein.
Reflektion: Der Autor kennt sich im Gerichtssaal aus. Und im Bett.
Es ist frustrierend. Ich persönlich kenne vergewaltigte Frauen, aber keine, die das angezeigt hat. In jedem Fall kann ich es verstehen. Nie gibt es Zeugen, selten Beweise.
Francines Falle ist dabei so schön klar: Der Täter verschafft sich durch einen harmlosen Vorwand Zugang zu ihrer Wohnung und dann geht's los. Die Vergewaltigung, vor allem das "Davor", wird sehr genau beschrieben, teilweise zu genau für meinen Geschmack. Hier gibt es keine zweite Meinung. Daher ist es wohl auch so detailliert dargestellt. Zumindest wir Leser*innen wissen, dass der Fall klar ist.
Trotzdem: Sie duscht, es gibt keinen Samen mehr zum Sicherstellen. Keines seiner Schamhaare ist an ihr. Lediglich ein paar Spuren am Handgelenk, da sie gefesselt wurde und eine rot angelaufene Wange, da er sie geschlagen hat. Reicht das denn nicht? Nein, es reicht nicht.
Sie traut sich nicht in ihre Wohnung, wohnt vorübergehend bei ihren Eltern. Als sie kurz zurückkehrt, um neue Kleidung zu holen, passiert es nahezu erneut, diesmal mit einem Komplitzen. Diesmal kann sie aber durch einen Trick Hilfe holen, die Polizei kommt rechtzeitig. Der Vergewaltiger redet sich heraus.
Während ich die Reaktion der Menschen um Francine beobachte, frage ich mich: Kann es sein, dass einige Menschen Vergewaltigung tatsächlich nicht verstehen? Tatsächlich tief im Innern glauben, na komm, so schlimm ist es doch nicht?
Wenn man vorher die Todesangst und den Ekel von Francine durchlebt hat, ist das widerwärtig. 1981 war das vermutlich ziemlich fortschrittlich, Vergewaltigung zu thematisieren und zu kritisieren, wie schwierig es für das Opfer ist.
Schließlich kommt es zu einer Liebesgeschichte zwischen Francine und Thomassy, die ebenfalls ganz gut beschrieben wird - inklusive des Sex. Selbst "Stage Fever" kurz vor dem Akt (Ständerverlust, nenne ich das mal) wird thematisiert und das ist gelungen. Sol Stein kann auch ganz gut über (guten wie schlechten) Sex schreiben.
Mindestens eine Sexszene hätte er sich meiner Meinung nach aber sparen können. Das muss ja auch etwas zeigen und eine Sexszene zeigte nichts, was nicht schon vorher gezeigt worden war. Dann wird es mir langweilig, egal wie gut beschrieben.
Wow, viele Ich-Personen! Die Perspektive wechselt nicht nur zwischen Franince und Thomassy, sondern fast jede Figur kommt hier mal zu Wort. Ich habe nicht gezählt. Sicher ein dutzend. Sehr gern mochte ich auch die den Psychologen von Francine, der ist so schön kautzig und hat die Palette von feige bis beherzt voll drauf.
Mir gefällt dieser Roman deutlich besser als sein vorheriger, the Magician. Der Stil war auch in seinem Erstling schon ganz nett, allerdings hatte ich am Plot einiges auszusetzen. Other people ist größtenteils sehr realistisch. Er kennt das Gerichtssystem sehr gut und kann sich auch in die Charaktere gut einfühlen, die auch alle ihre ganze eigene Sprache haben, bis hin zum armenischen oder österreicherischen "Tonfall". Es hat viel Spaß gemacht, dieses Hörbuch zu hören.
Heute haut das Thema niemanden mehr aus den Latschen, 1981 dürfte das anders gewesen sein. "The Accused" mit Jodie Foster, das sehr drastisch das Thema Vergewaltigung und das amerikanischen Gerichtssystem zum Thema hat, kam immerhin sieben Jahre später. Da muss ich dem mittlerweile verstorbenen Sol Stein doch anerkennend zunicken, dass er diese Roman gewagt hat.
Sprecherin: Marguerite Gavin
Erst dachte ich: Uff, so schnell und dann so mechanisch, da werde ich auf Englisch niemals folgen können. Dann hat sie sich aber warm gesprochen - oder ich mich warm gehört.
Sie ist ein Profi. Ich liebe es. Ich weiß immer, wer spricht, bei wörtlicher Rede. Akzente werden adäquat und nicht veralbernd dargestellt. Sie liest auch die Männer gut vor, etwas tiefer. Ich bin ein Fan.
Offenbar hat sie alleine bei audible ca. 250 andere Bücher eingesprochen. Leider inhaltlich nichts, das ich in nächster Zeit hören möchte.
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