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Klassiker lesen Teil 5: Dracula

Inhalt: Abenteuer für britische Gentlemen im vorletzten Jahrhundert

Graf Dracula will nach London umziehen, der Brite Jonathan Harker, soll ihm dabei helfen. Harker merkt recht bald, dass etwas nicht stimmt, kann aber unter Todesangst fliehen.

 

Dracula zieht um, macht sich über die Freundin der Verlobten von Jonathan her, die er nach und nach aussaugt, ohne dass diese sich morgens daran erinnern kann. Je länger das geht, desto schwächer wird sie.

 

Interessant: Diese Freundin, Lucy, hat erst kürzlich drei Heiratsanträge (übrigens am selben Tag) erhalten, von der verschiedenen Herren. Einen davon hat sie angenommen. Die Herren merken, dass etwas im Argen ist, die Verlobte Jonathans, Mina, die zu Besuch ist, merkt dies ebenfalls.

 

Einer der Verschmähten, Seward, ist Arzt einer Irrenanstalt und weiß nicht mehr weiter, kann sich die Krankheit Lucys nicht erklären und ruft den niederländischen Arzt Van Helsing hinzu. Der kann sich das alles durchaus erklären und handelt fachkundig. Knoblauchhalskrausen und Blutspenden sollen hier die Kur sein.

 

Durch ungünstige Zufälle jedoch trägt Lucy nicht ununterbrochen ihren Knoblauchkranz und wird trotz der Spenden aller drei Herren und sogar van Helsing immer schwächer, stirbt letztendlich.

Was mich ein wenig verrückt gemacht hat, ist, dass ihr vier unterschiedliche Herren Blut spenden, Seward, ihr Verlobter Arthur, Van Helsing und ein vierter Herr, ohne dass je über Blutgruppe und Rhesusfaktoren nachgedacht wird. Offenbar geht dieser Teil der Aktion aber ausreichend gut aus. Leider kommt Dracula immer wieder an Lucy heran und stärkt sich durch das Blut, über Umwege ja so auch wegen des Bluts der vier Herren. Interessanter Gedanke übrigens, Dracula trinkt Van Helsings Blut, ohne ihn je gebissen zu haben.

 

Kaum ist sie verstorben und im Sarg ihrer Gruft, werden in der Nähe kleine Kinder gebissen und mit verräterischen Malen am Hals aufgefunden. Erneut muss Van Helsing her. Und ja, es ist Lucy, die hier ihr Unheil treibt. Die Herren ziehen aus, den neuen Vampir zu erledigen. Nicht einfach nur mit einem Pfahl, nein, der Kopf muss danach abgetrennt werden und der Mund mit Knoblauch verstopft. So hat Lucys Vampirismus ein Ende und ihre Seele Frieden.

 

Jemand steckte aber ja hinter Lucys Tod und Verwandlung, so laden sie auch Jonathan zu sich ein und machen Jagd auf Dracula. Mina verbleibt während ihrer Touren in den Schlafgemächern und wird nach und nach schwächer. Ich sitze nur da und frage mich: Wann wird denn endlich jemand der Herren oder Mina selber einen Zusammenhang herstellen zwischen ihrer Schwäche und dem, was Ludy widerfahren ist?

 

Okay, ich bin erleichtert, sie kommen recht schnell dahinter und beschützen Mina. Aus irgendeinem Grund (vermutlich aufgrund des Films "Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen") hatte ich angenommen, Mina würde sich in einen Vampir verwandeln. Dass die Dracula besiegen, wusste ich. Ich hatte eher mit dem Schluss gerechnet, dass sie Dracula besiegen und stattdessen aber leider Mina verlieren und die von nun an für vampirisches Unheil sorgt. Daher war ich etwas überrascht. Ist ja auch eher positiv, von einem Buch überrascht zu werden, das immerhin 120 Jahre alt ist.

Reflektion: Zu Recht ein Klassiker

Von Dracula kannte ich immerhin ein paar Verfilmungen und ich habe auch "Salem's Lot" gelesen. Ich wusste also mal hier mal da, worum es ungefähr geht.

 

Was der Renfield in der Irrenanstalt aber mit der ganzen Sache zu tun hat wusste ich nicht, sowie ein paar andere Details und außerdem macht es Spaß zu lesen. Dabei hätte ich von Renfield durchaus wissen können, hatte ich immerhin die Gary-Oldman-Version vor Jahren mal gesehen.

 

Diese altmodische Art, wie die Männer und Frauen damals miteinander umgingen, wie auch die Männer miteinander umgingen, so umständlich und doch so respektvoll. Das macht mir viel Spaß. Wenn ich mir überlege, würden wir das in 2020 verlegen, würde es womöglich auf "Alter, kommst du mit Vampire jagen?" hinauslaufen.

 

Möchte man überhaupt Vampirgeschichten lesen, hätte man wohl auch mit Dracula beginnen müssen. Ich began jedoch damit als Kind Mitte der Achtziger mit dem kleinen Vampir. Da wird immerhin Dracula erwähnt.

 

Nachträglich fällt mir dann doch auf, dass die Szene in Salem's Lot, in dem die Geliebte des Protagonistin, zur Vampirin geworden, gefählt wird, und jene in Dracula, in der die zum Vampir gewordene Lucy getötet wird, sich sehr sehr ähnlich sind. Allerdings hatte ich es von Salem's Lot und auch von anderen Vampirgeschichten deutlich weniger aufwändig in Erinnerung. Pfahl durchs Herz ja, aber auch noch köpfen und den Mund mit Knoblauch ausstopfen? Vampire töten ist harte Arbeit. Das wird selbst in den Tagebuchaufzeichnungen der britischen Gentlemen des ausgehenden 19. Jahrhunders klar. Da spüre ich den Schweiß beim Lesen.

 

Laut wikipedia wird bemängelt, dass der Stil der unterschiedlichen Ich-Personen sich nicht deutlich genug unterscheidet. Das mag zwar sein, ich finde es aber glaubwürdig, da alle aus der gleichen Schicht und (bis auf van Helsing) auch alle aus der gleichen Region stammen. Außerdem habe ich die Figuren deutlich unterscheiden können, da alle unterschiedliche Prioritäten setzen und verschiedene Herangehensweisen an das Problem haben. Ich fand es auch angenehm wenig frauenunterdrückend, Mina nimmt eine sehr aktive und auch selbstbestimmte Rolle ein, obwohl natürlich die Männer ihr gegenüber sehr beschützend agieren.

 

Dracula ist zu Recht ein Klassiker, den kann man ruhig alle paar Jahre mal lesen. Ich fühle mich jetzt auch besser ausgerüstet, wenn ich den nächsten Vampirroman lese. Das wird voraussichtlich Sabella von Tanith Lee sein.

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Kommentare: 1
  • #1

    Tom Diander (Freitag, 27 November 2020 13:46)

    Ich kannte von Dracula erst mal nur die verschiedenen Verfilmungen.
    So alte Kamellen mit Christopher Lee, die teilweise schon etwas schräg waren. �

    Dann kam der Film mit Gary Oldman in die Kinos und ich war für den Film noch deutlich zu jung. Ich hatte einen harten Vampir Horrorfilm erwartet und war ziemlich enttäuscht bis gelangweilt.

    Jahre später kam er dann im Fernsehen und ich habe ihn mir erneut angeschaut und fand ihn plötzlich großartig. Ist halt kein Horrorfilm, sondern ein sehr romantischer, wenn auch tragischer Liebesfilm. Eigentlich, ähnlich wie das Buch, ein Meisterwerk.

    Den Roman von Bram Stoker habe ich dann nachgeholt und er lässt sich trotz seines Alters immer noch flott und leicht lesen. Das Stilmittel, die Geschichte über Tagebucheinträge zu erzählen, empfinde ich als genial und es funktioniert grandios.

    Und jetzt habe ich wieder Lust, ihn aus dem Schrank zu holen. �

    Vielen Dank und lieben Gruß.
    Tom