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Klassiker lesen Teil 4: Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Harte Fakten

Titel Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde
Autor R. L. Stevenson
Erscheinungsjahr 1886
Seitenzahl 100

Inhalt: Altmodisch mit origineller Idee

So ungefähr hatte ich mir Klassiker vorgestellt, bevor ich mich auf Frankenstein, Dracula und co. gestürzt habe. Stevenson hat ja immerhin auch die Schatzinsel geschrieben, die ich als sehr spannend empfunden hatte, kenne allerdings nur den Film (oder war es eine Serie?).

 

In dieser recht kurzen Erzählung kommen irgendwie nur Herren vor, die für mich als Dame von 2020 auch nicht sehr unterscheidbar sind. Die klingen irgendwie alle gleich. Vermutlich waren sie für das damalige Publikum besser unterscheidbar.

 

Wenn ich das mal mit Frankenstein vergleichen darf: Da waren alle Figuren sehr klar und auch sehr unterschiedlich. Bei Dracula, das ist zurzeit lese, ist es auch so, dass die vielen Herren ihre Eigenarten haben, wenn auch nicht so klar wie bei Frankenstein (das überhaupt mit wenigen Personen auskommt), aber immerhin doch so, dass ich die verschiedenen Charaktere vor Augen habe.

 

Hier stehe ich da und erinnere mich eigentlich nur an den armen Dr. Jekyll und natürlich Mr. Hyde, alle anderen bleiben eher Beobachter als Agierende und geraten so rasch in Vergessenheit. Dabei sind es neben Jekyll und Hyde auch nur drei, alle anderen haben eher eine Nebenrolle inne.

 

Das ist wahrscheinlich auch ok, denn sicherlich ging es Stevenson auch lediglich um das Doppelgängermotiv des Jekyll/Hyde, auf die anderen Personen wurde wohl absichtlich kein Fokus gelegt. Mir als Leserin des 21. Jahrhunderts ist das so aber irgendwie nicht genug. Wäre das ein dickeres Buch gewesen, ich hätte es womöglich nicht durchgelesen.

 

Ich vermute, es hätte besser funktioniert, wenn ich es nicht als vierten Klassiker (Buch älter als 100 Jahre) gelesen hätte, sondern als 40., wenn ich mich schon mehr an den damaligen Stil gewöhnt hätte.

 

Ansonsten ist die Idee interessant:

Wenn man, wie ich, Jekyll und Hyde nur als Hollywoodschicken mit Sean Connery und Hugh Jackman kennt, weiß man eigentlich nur eins: Jekyll und Hyde können nicht zeitgleich auftreten und Hyde ist irgendwie der Böse.

In diesen Filmen bleibt Hyde eher auf einem comichaften Niveau, und hier meine ich Comic nicht positiv. Ich habe Filme mit dem Hulk gesehen, der ursprünglich eine Comicfigur ist und der in den Filmen deutlich mehr Tiefe erhält als Jekyll/Hyde in den von mir gesehenen. Zumal Hyde in dem Film mit Hugh Jackman auch lediglich kämpft und Jekyll nicht wirklich lebendig vorkommt.

 

Zugegeben, viel wusste ich also nicht, als ich mit dem Lesen begann. So wusste ich zwar, dass Jekyll sich in Hyde verwandelt und umgekehrt auch irgendwann wieder zurück, jedoch wusste ich nicht, warum. Wut? Nein, das war der Hulk. Ok, bei der Verwandlung waren also Drogen im Spiel und Hyde verkörpert all das Böse in Jekyll. Daher auch sein gedrungener Wuchs (das Böse ist nicht sehr ausgeprägt und hatte nicht viel Zeit zum Wachsen) und sein unangenehmes Äußeres.

 

Das war ja auch in den Filmen anders dargestellt, da war Hyde ja durchaus groß und stark und nicht kleiner und schmächtiger als Jekyll. Klar, macht ja auch mehr her. Hat aber mit dem Original nichts mehr zu tun.

 

Die Interpretation der Erzählung ist so simpel wie logisch:

Jekyll verbietet sich alle Ausschweifungen, die münden dann unausgelebt in Hyde, der die Triebe offen auslebt. Mindestens Mord, ob Vergewaltigung mit im Spiel ist, bleibt in der Originalerzählung im Dunkeln. Damit werden die Konventionen der damaligen Zeit kritisiert, in denen sich ein Gentleman nicht sehr ausleben konnte. Jekyll übernimmt keine Verantwortung für die Taten von Mr. Hyde, auch nicht für dessen Erschaffung, dabei ist er doch verantwortlich, oder? Nun, das kann man diskutieren. Er hat ihn erschaffen ja, sitzt aber während seiner Taten nicht am Steuer, ja nicht einmal am Beifahrersitz, oder kann er sich danach an dessen Taten etwa erinnern? Mir erscheint das doch sehr frustrierend und beängstigend für Jekyll zu sein.

 

Ein Thema der Geschichte könnte sein: Was wäre, wenn man in den Schuhen eines anderen einfach machen könnte, was man will?

Nun, dann würde ich es aber mitbekommen wollen, oder? Was hätte ich davon, wenn "der Hyde in mir" alles mögliche anstellt, ich aber dies nicht in der Hand habe und auch nicht genießen kann.

 

Für mich hat sich die Geschichte eher so dargestellt: Mann verwandelt sich in Hyde, erst absichtsvoll, später kann er das dann gar nicht mehr kontrollieren und Hyde hält sich nicht an Regeln, sondern macht, was er will. Jekyll kann dagegen gar nichts machen und ist hilflos. Es bleibt nur, dass Hyde sich selber ermordet, was aber auch Jekylls Tod bedeutet.

 

Seit Erscheinen der Erzählung gibt es eher hundert und mehr Interpretationen, manche ähnlich, andere nur lose daran angelehnt. Jekyll und Hyde sind die Väter so einiger cooler Figuren und Geschichten unserer Zeit, wie schon der erwähnte Hulk, aber auch der Green Goblin aus Spiderman.

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