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Exit racism von Tupoka Ogette

Inhalt: Rassismus ist mehr als nur das was ich bisher dachte

Der Inhalt gliedert sich folgendermaßen auf:

Es wird erklärt, was Happyland ist und welche Abwehrmechanismen einsetzen, wenn wir glauben, man würde uns für Rassisten halten und warum das so ist.

Die Geschichte des Rassismus wird angerissen und erklärt, warum und wie Rassismus überhaupt entstanden ist.

Was bedeutet das für uns heute? Was ist Othering, welche Privilegien haben Weiße, welche Bedeutung hat Sprache und was sind Vorurteile und warum arbeitet das Gehirn mit Vorurteilen?

Warum tun wir uns gerade in Deutschland so schwer mit Rassismus?

Perspektivenwechsel, Rassismus in der Kita, Schule, die "Woher kommst du?"-Frage und andere Geschichten aus der Sicht von Betroffenen.

Wie kann es weitergehen, wie raus aus Happyland, wie mit Rassismus zukünftig umgehen?

 

Tupoka Ogette beschreibt die Phasen, die es braucht, um aus Happyland herauszukommen und sich aktiv mit Rassismus, mit dem eigenen Rassismus, auseinanderzusetzen:

  1. Happy Land
  2. Abwehr
  3. Scham
  4. Schuld
  5. Anerkennung

Als ich mit dem Buch begann, war ich schon bei Scham. Dank des Buchs habe ich Schuld irgendwie übersprungen oder nur kurz behandelt und bin jetzt eher so bei Anerkennung.

 

Sie hat Videos per QR Code in ihrem Buch hinterlegt, die ich vermutlich hier auflisten darf, da diese frei verfügbar sind:

 

The surprisingly Racist History of 'Caucasian'

Why color blindness will not end racism

Geschichte des Rassismus:

Teil 1: Das Geschäft mit der Sklaverei

Teil 2: Die fatalen Folgen

Teil 3: Das Vermächtnis der Kolonialherren

What did Jesus REALLY look like?

How microagressions are like mosquito bites - Same Difference

Artikel: Schreiben sie so über Afrika von Binyavanga Wainanaina

Doll Test

Gehört der Rassismus zu Deutschland? Und wenn ja: Warum?

 

Reflektion Exit racism

 Als ich mit dem Buch begann, war ich schon bei der Phase Scham. Dank des Buchs habe ich Schuld kurz behandelt und bin jetzt eher so bei Anerkennung.

 

Ich kenne diese Mikroaggressionen vom Sexismus. Dafür brauche ich auch eine Strategie, habe bisher aber nichts, das wirklich gut funktioniert. Diese Momente, in denen ich nicht ernst genommen werde oder angebaggert statt professionell behandelt werde. Ungefähr so stelle ich mir Mikroaggressionen und Othering beim Rassismus vor - nur viel, viel häufiger und Betroffene können viel schwieriger darüber sprechen.

 

Der Autorin gelingt es, dieses äußerst heikle Thema so geschickt anzufassen, dass ich mich an keiner Stelle beim Lesen von ihr angegriffen fühle.

 

Und das, obwohl beim Lesen klar wird, dass auch ich rassistisch sozialisiert wurde. Es gelingt ihr ebenfalls klarzumachen, dass sie nicht glaubt, dass weiße wie ich grundsätzlich ein leichtes Leben hatten. Auch wir hatten möglicherweise schwere Zeiten, wurden diskriminiert oder unterdrückt. Nur Rassismus ist uns eben nicht begegnet. Welche Privilegien ich dadurch habe, war mir nicht bewusst. Ich hätte vor dem Lesen des Buchs damit gerechnet, dass ich vielleicht zwei, bestenfalls drei Privilegien habe als weiße und war entsetzt, wie viele es tatsächlich sind - und ich glaube beim Lesen jedes Wort.

 

Auch ich habe mal jemanden gefragt, woher sie kommt. Zwar ist das locker zwanzig Jahre her, ich weiß aber noch, wie sie sagte: "Köln". Ich war von der Antwort verwirrt, denn das hatte ich gar nicht gemeint. Später stellte sich heraus, dass sie koreanische Vorfahren hatte - aber mit Korea null am Hut, ihre Heimat war Köln. Ich hatte Othering betrieben, ihr suggeriert, sie gehöre nicht hierher, gehöre nicht zu uns. Das war mir damals nicht klar und ist mir erst in dieser Woche klar geworden. Das war auch der eigentliche Auslöser dafür, dass ich mir das Buch dann kaufte und las, es hatte mir jemand bei Twitter empfohlen.

 

Mehrere Dinge sind mir durch das Lesen des Buchs klar geworden:

Mikroaggressionen wie "Woher kommst du?" erzeugen Stress und sind für den Alltag der Betroffenen furchtbar. Noch furchtbarer, dass sie mit ihren weißen Freund*innen normalerweise nicht darüber sprechen können, weil wir das Problem des Rassismus nicht sehen oder/und nicht sehen wollen.

 

Hierzulande sind Schwarze Menschen oder People of Color (PoC) normalerweise in der Minderheit. Kinder merken das circa wenn sie 2 - 2,5 Jahre alt sind. Dann stellen sie fest: Oh, ich bin anders. Ungefähr um die gleiche Zeit stellen das leider auch die weißen Kinder fest. Ich habe Kinder und kann das bestätigen. Das führt schon in der Kita zu unangenehmen Momenten, aber viele Erzieher*innen blocken Gespräche über Rassismus ab. Mehr noch in der Schule.

 

Sehr beeindruckt hat mich die Geschichte von dem Schüler, der zum Test "Deutsch als Fremdsprache" gezwungen wurde, obwohl Deutsch seine Muttersprache ist. Rate mal was, ja, er ist Schwarz. Als die Eltern dies zur Sprache brachten und Rassismus thematisieren wollten, ging die Schule in eine ganz fürchterliche Abwehrhaltung und alle waren sofort entsetzt und verletzt.

 

Spielzeug und Kinderbücher sind hierzulande hauptsächlich mit weißen Figuren und Protagonist*innen besetzt. Gleiches gilt für Schulbücher und die Abbildungen dort. Die Lehrer*innen sind normalerweise auch weiß. Das kann Schwarze ganz schön einsam machen.

 

Hätte ich nachgedacht, hätte ich da selber drauf kommen können. Kinder wollen dazugehören und so sein wie alle. Leider habe ich aber nie darüber nachgedacht. Ich dachte, wenn nur alle schön hübsch alle integrieren und die politisch korrekten Worte benutzt, ist alles okay. Bestenfalls habe ich mal darüber nachgedacht, wie in älteren Kinderbüchern Schwarze dargestellt werden und darüber mit meiner Tochter gesprochen. Bei Jim Knopf gab es sogar noch das N-Wort, beim Nesthäkchen sogar mal eine eindeutig rassistische Passage, das konnte ich kaum laut vorlesen. Aber es geht natürlich auch subtiler, einiges ist mir aufgefallen, anderes wird mir wahrscheinlich nun erst nach Lektüre des Buches auffallen.

 

Das Buch liest sich sehr gut und verständlich, und auch beim Literaturverzeichnis und Anhang wird klar, wie viel Wissenschaft dahintersteckt. Die Autorin hat sich ein fundiertes Wissen zu dem Thema angeschafft und geht damit so kompetent um, dass ich unseren Kindern das vermutlich auch erklären können werde, sobald sie acht oder so etwas sind. Es gibt sechs Fachbücher auf der Literaturliste und über 30 Internetquellen, dazu zwei Zeitschriftenartikel und zehn Fußnoten.

 

Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass sich die Inhalte dieses Buchs so gut und breit wie möglich verbreiten. Es ist wichtig, dass wir über Rassismus sprechen können, ohne dass wir zusammenzucken und alle erst einmal dringend versichern müssen "Ich doch nicht!". Falls mir eine Frage herausrutscht wie "Woher kommst du?", möchte ich, dass mein Gegenüber sich traut mir zu sagen, dass das ausgrenzend war. Ich möchte dann den Mumm haben zu antworten "Entschuldigung, das sehe ich jetzt auch". Ich möchte, dass Rassismus kein Tabuthema mehr ist. Rassismus ist nicht etwas, das nur Rechtsextreme betreiben. Rassismus kann auch aus Versehen passieren, unbemerkt.

 

Das weiß ich ja nun selber. Meinen eigenen Rassismus der Kölnerin gegenüber habe ich nun erst zwanzig Jahre später bemerkt.

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Kommentare: 2
  • #1

    monerl (Dienstag, 07 Juli 2020 19:05)

    Liebe Yvonne,
    auch ich habe das Buch vor Kurzem gelesen bzw. gehört. Als Hörbuch ist es auch ganz toll, insbesondere, da die Autorin auch einige Passagen selbst eingelesen hat.
    Das Buch ist so sehr gelungen, dass ich finde, es sollte jede*r gelesen haben. Es öffnet die Augen und sensibilisiert, wie es BPoC und anderen Minderheiten in Deutschland geht. Es zeigt so gut auf, wie sehr Deutschland rassistisch ist und wie sehr die Menschen das wegwischen.
    Auch ich fand das so furchtbar mit dem Jungen, der den Deutschtest machen musste. Das, was sein Vater dann gesagt hat, fand ich super.

    Es ist so wichtig, dass Kinder im Kindergarten und der Grundschule das alles lernen und dafür sensibilisiert werden, um später gute Erwachsene zu werden. Das ist m.M.n. die einzige Chance Rassismus entgegenzuwirken. Denn wenn man die meisten Erwachsenen sieht und wie sie sich dagegen wehren, wird das so nichts. Eine kleine Minderheit gesteht sich ein, alltagsrassistisch (unbewusst) zu handeln, und diese Minderheit wird nichts verändern können.

    Gerade lese ich "Deutschland Schwarz weiss" von Noah Sow. Das ist als Folgebuch und Ergänzung wundervoll. Kennst du es? Wenn nicht, dann empfehle ich es dir unbedingt!

    GlG, monerl

  • #2

    Yvonne (Mittwoch, 08 Juli 2020)

    Liebe Monerl,
    danke für den Tipp, das Buch kenne ich noch nicht. Ich habe vielleicht gerade etwas viel auf dem Schreibtisch, aber ich merke es mir vor.
    LG Yvonne